
Alles inklusive
Deutschland, Spanien 2013, Laufzeit: 109 Min., FSK 12
Regie: Doris Dörrie
Darsteller: Nadja Uhl, Hannelore Elsner, Hinnerk Schönemann, Axel Prahl, Fabian Hinrichs, Peter Striebeck
>> www.allesinklusive-film.de/
Schwerelos inszenierte Tragikomödie
Sie sind doof!
„Alles inklusive“ von Doris Dörrie
Doris Dörrie verfilmt Doris Dörrie. Die Regisseurin adaptiert mit ihrem neuen Kinofilm ihren Roman aus dem Jahr 2013. Eine Geschichte über die zerrüttete Beziehung der blauäugigen Apple (Nadja Uhl) zu ihrer Mutter Ingrid (Hannelore Elsner). Eine Geschichte, die Ende der 1960er Jahre beginnt, als sich deutsche Blumenkinder im spanischen Torremolinos frei liebten. Ingrid, davon erzählen Rückblicke, war solch ein Blumenkind. Unbedarft, sorglos und frei. Frei von der Gesellschaft, frei von Verantwortung. Das legt Ingrid auch nicht ab, als sie Apple auf die Welt bringt. Heute, dreißig Jahre später, ist ihre Tochter befallen von Selbstzweifeln und befindet sich ungebremst auf der Suche nach Halt. Ihr einziger treuer Gefährte heißt Dr. Sigmund Freud und ist ein Hund. Während Apple ihre Mutter nach deren Hüft-Operation nach Torremolinos verdonnert, wo Ingrid inmitten von Sauf- und Party-Wahn schicksalhafte Begegnungen mit einem prolligen Deutschen (Axel Prahl), einem afrikanischen Flüchtling (Elton Prince) und einem Transvestiten (Hinnerk Schönemann) hat, begegnet Apple daheim in Deutschland dem Tierarzt Dr. Fellborn (Fabian Hinrichs). Traurig-hysterisch getrieben, meint sie schon bald, in ihm die Geborgenheit zu finden, die sie so schmerzlich vermisst.
Was inspiriert tragikomisch beginnt, verliert sich gelegentlich in einem Zuviel an Konflikten, Konstellationen und nicht zuletzt auch an Spielzeit. Jedoch, wer Doris Dörrie mag, dem wird es gefallen. Gewohnt warmherzig begleitet sie ihre Figuren durch die Lebenskrise, findet frechen Witz in der Tragik und Melancholie im kleinen Glück. Gelungen fängt sie hier den Geist der Alt-68er ein, der sich rückblickend dramatisch verformt und von Apple trefflich entschlüsselt wird, wenn sie über Ingrid sagt: „Meine Mutter glaubt nicht an materielle Dinge. Aber nur, weil sie immer pleite ist.“ So schwebt Dörries Drama dahin mit frecher Ironie, pointierten Denkanstößen und mit Sätzen, die man sich merken will. Sätze, die fallen, wenn Ingrid den plumpen Annäherungsversuchen ihrer Urlaubsbekanntschaft mit einem schlichten und zugleich knackig direkten „Sie sind doof“ kontert.
Was diesen Film spürbar bereichert, ist Nadja Uhl, die auf der Leinwand seit „Sommer vorm Balkon“ aufs Sträflichste von Herausforderungen verschont blieb. Hier darf sie sich erneut beweisen als liebenswert naives Mädchen wie du und ich, blauäugig, verzweifelt, offen für die Hoffnung an das Gute und dabei immer etwas drüber. Und sie hat sichtlich Spaß daran. Abgesehen davon ist die Besetzung insgesamt gelungen in dieser schwerelos inszenierten Tragikomödie, die sich mal lebensnah, mal surreal gibt, mal federleicht, mal konstruiert. Ein bewölkt optimistisches Drama über Verlorenheit, Einsamkeit, Sehnsucht und über den festen Glauben an das Glück.
(Hartmut Ernst)
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