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Trotz großer Auswahl: Menstruation ist kein Luxus
Foto: (JLco) Julia Amaral / Adobe Stock

Drei Millionen Liter

28. Februar 2023

Gedanken zur Periodenarmut – Teil 1: Leitartikel

Das Wunder der Geburt. Halleluja! Was hat sie die Menschheit schon in Wort und Bild abgefeiert und besungen, und lange Zeit wurden Stift und Pinsel dabei vornehmlich von Männerhand geschwungen. Auch der Akt der Zeugung ist aus der künstlerischen Betrachtung nicht wegzudenken. Fernab von Beischlaf und lyrischer Lobpreisung der Folgen hält sich der Begatter ansonsten weitestgehend raus aus dem besagten Wunder, auch wenn der moderne Erzeuger inzwischen gern mal anwesend ist bei der Geburt, um dabei regelmäßig in die Ohnmacht zu kippen. Blöd halt, wenn ein Wunder dermaßen blutet. Damit kommt der Mann nicht klar. Und was für die Geburt gilt, das gilt auch für alles andere, bei dem das Venusdelta Blut verliert. So will der Mann auch von der Regelblutung nichts wissen und schon gar nichts sehen.

Blaues Wunder

Blut ist tabu! Mit einer Ausnahme: der Entjungferung. Keine Ohnmacht an dieser Stelle beim stolzen Verrichter. Reißt der Kerl dem Weib die Jungfernhaut, dann ist das Gebot reinster Reinlichkeit am Portal seiner Begierde vorübergehend ausgesetzt. Je nach Kulturkreis droht der Frau auch schon mal die Steinigung, so sie nicht blutet, wenn der Mann es dann doch mal wünscht. Wir fassen zusammen: Blutet die Frau ohne männliches Zutun, dann will der Mann davon nichts wissen. Er sieht gern rot, außer regelmäßig einmal im Monat. Auch darum gibt es Tampons, und werden sie beworben, wird das Wunder blau gefärbt. A Man's World, auch rhetorisch: Los Wochos, Tante Rosa, Erdbeerwoche – zum Glück gibt’s Synonyme für das M-Wort, mal „kreativ“ als „lustige Namen“ verklärt (maedchen.de), mal als „Bullshit-Begriffe“ verdonnert (woman.at).

Wie auch immer: Menstruationsprodukte bewahren nicht bloß den männlichen Blick vor Unzumutbarem, sie gewährleisten den Nutzerinnen, die ohnehin schon reichlich gebeutelt sind von Symptomen prämenstrueller Art und dummen Sprüchen, vor allem eines: Freiheit. Freiheit in Bewegung und Präsenz. In Alltag, Schule und Beruf. Wie gut also, dass Tampons, Binden & Co. allerorten zu finden sind. Also hierzulande. Weltweit nämlich haben hunderte Millionen Frauen schlichtweg keinen Zugriff auf derlei Artikel. Hat man den, muss man sich das Produkt allerdings – Stichwort „Periodenarmut“ – erst einmal leisten können. Das Portal „erdbeerwoche.com“ hat ausgerechnet, dass eine deutsche Frau etwa 3.200 Euro in ihrem von Menstruation geprägten Lebensabschnitt für Hygieneartikel und Schmerzmittel ausgibt – die Kosten für die Verhütungspille nicht mitgerechnet.

Warum nicht kostenlos?

Warum also macht man menstruierenden Frauen Menstruationsprodukte nicht einfach frei zugänglich? Das hat man sich z.B. auch in Schottland gefragt – und es einfach getan. In England sind die Produkte steuerbefreit – einzige überlieferte sinnvolle Errungenschaft des Brexit soweit. In der EU dagegen gelten derlei Hygieneartikel weiterhin als Luxusgut (!) und müssen mit mindestens 5 Prozent besteuert werden. Aktueller Stand in Deutschland: 7 Prozent. Immerhin. Nur macht eine Steuerersparnis die Produkte nicht automatisch erschwinglich. Zumal die Wirtschaft Steuererleichterungen nicht zwingend an die Kund:innen weiterreicht. Wenn (laut erdbeerwoche.com) Frauen insgesamt – Männer, nehmt das: – drei Millionen Liter Blut am Tag durch ihre Regelblutungen verlieren und wenn 45 Milliarden Menstruationsprodukte pro Jahr verbraucht werden, dann verdienen viele Männer echt viel Geld daran, das zu kaschieren, wovon sie nichts zu wissen wünschen. Win win. Und uns drängt sich wieder die ewige Frage auf: Wo stünden wir, wenn Männer menstruieren würden?

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DER GESCHMACK VON BLUT - Aktiv im Thema

duesseldorf.de/aktuelles/news/detailansicht/newsdetail/entwurf-kostenlose-menstruationsartikel-an-duesseldorfer-schulen.html | Die Stadt Düsseldorf informiert über erste Schritte, Menstruationsartikel kostenlos zugänglich zu machen.
socialperiod.org | Der in Berlin ansässige Verein Social Period setzte sich dafür ein, hilfsdürftigen Menschen gespendete Menstruationsprodukte frei zugänglich zu machen.
welthungerhilfe.de/informieren/themen/fuer-wasser-und-hygiene-sorgen/menstruationstasse | Die Welthungerhilfe erklärt, wie die Menstruationstasse das Leben von Mädchen und Frauen im Globalen Süden verbessern kann.

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Hartmut Ernst

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