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Dota Musik
Foto (Ausschnitt): Annika Weinthal

„Mehr Freude und mehr Liebe, was anderes hilft nicht“

01. April 2024

Musikerin Dota über die Dichterin Mascha Kaléko und den Rechtsruck in der Gesellschaft – Interview 04/24

Im Interview spricht Dota Kehr über ihre Liebe zu den Gedichten von Mascha Kaléko (1907-1975) und zieht im Hinblick auf eine erstarkende Rechte Parallelen zwischen den 20er Jahren des 20. und 21. Jahrhunderts.

trailer: Frau Kehr, was fasziniert Sie an Mascha Kalékos Texten?

Auf einer rein formalen Ebene kann ich sagen: Ihre Texte sind immer so exakt, formal streng, genau in ihren Betonungen, in ihrem Rhythmus, sauber gereimt und unglaublich gut verdichtet. Einfach kein Wort zu viel. Und warum Kaléko? Auf der inhaltlichen Seite gehen mir ihre Texte so gut über die Lippen, weil oft eine Haltung, eine Attitüde drin ist, die ich gut nachspüren kann. Sie ist manchmal so spöttisch und so analytisch, gerade auch in romantischen Dingen. Das mag ich wirklich gut. Ja, und ich mag, dass sie manchmal fast flapsig ist, aber auch immer nahbar und verletzlich.

Im nationalsozialistischen Deutschland wurden Kalékos Bücher verboten. Sind sie gerade mit Blick auf den heutigen Rechtsruck in der Gesellschaft wieder aktuell?

Man kann nicht umhin, diese Parallele zu ziehen zwischen den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts und jetzt und dieser erstarkenden Rechten. Diese Krise der Demokratie ist vor allem eine Krise der Medien. Mit besserer Regulierung von Social Media würde man da einigen Sachen ziemlich schnell beikommen. Das ist möglich. Und es ist so frustrierend, dass kein gesetzgeberischer Wille dafür da ist. Andere Krisen unserer Zeit, Klimawandel, Artensterben, Kriege, da ist es schwierig, dem beizukommen. Aber die Regulierung von Social Media und die Eindämmung der Gefahr, die diese Desinformation, diese Verstärkung der extremen Hasspositionen bedeutet: Das könnte man lösen. Man könnte Social Media viel mehr dafür verantwortlich machen. Und dass das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen und Leitmedien zurückgeht und gesunken ist: Das ist die große Krise. Wenn wir uns nicht darauf einigen können, wer die Wahl gewonnen hat, dann ist die Demokratie erledigt. Und das sieht man ja gerade schon in den USA, wie nah man da dran ist. Ich meine, die AfD hat beiTikTokeine Reichweite, die ist irgendwie das Fünffache der SPD oder was auch immer. Ich weiß jetzt die Zahlen nicht mehr genau, aber auf jeden Fall ist es schockierend viel. Darf man nicht so stehen lassen. 

Wie wichtig sind Ihnen angesichts des Rechtsrucks jetzt Ihre Lieder wie z.B. „Grenzen“ oder „Zwei im Bus“?

Ja klar, superwichtig. Es war so ermutigend in Berlin und so schön zu sehen, dass so viele Leute auf die Straße gehen, um das zu artikulieren. Ja, und dann habe ich irgendwas bei Social Media geschrieben dazu und jemand hat gepostet: Ja, das ist doch selber faschistisch, eine Demo, ein Riesenmob von Leuten, die keine andere Meinung zulassen. Ich bin jetzt nicht so aktiv auf Social Media, ich reagiere nicht auf Kommentare. Aber die Meinung, dass Menschen verschieden viel wert sind aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Religion oder was auch immer: Das ist keine Meinung! Nein, die wird nicht toleriert! Absolut nicht! Aber ansonsten sind ganz viele Meinungen toleriert. Es scheint ja offenbar ganz viel das Gefühl vorzuherrschen, dass eine Bevormundung durch eine urbane akademische Elite stattfindet. Und deswegen ist auch diese ganze Debatte über das Gendern so kontraproduktiv.

Darum geht es nicht, darüber können wir jetzt mal kurz reden- und dann müssen wir wieder über soziale Ungleichheit reden und dass die Mieten zu hoch sind und dass die Konzerne zu viel Macht haben und dass das Kapital zu sehr konzentriert ist. Ganz viele Sachen, die alle betreffen. Und ich meine: auch die ganzen Leute, die AfD wählen. Die meisten von ihnen wählen absolut gegen ihre eigentlichen ökonomischen Interessen. Und man muss diese Frage stellen, warum die keine linken Parteien wählen.Und natürlich ist die Alternative nicht Fremdenhass und Nazis wählen und Rassismus, aber ich finde, so ein Danger Dan- mäßiger Ansatz „Mit Nazis redet man nicht“, damit kann man sich toll hinstellen und sich selber auf die Schulter klopfen dafür, dass man auf der Seite der Guten ist. Aber das wird niemanden davon überzeugen, nicht die AfD zu wählen. Natürlich mit Nazis reden! Nicht in Talkshows, nicht, wo man ihnen eine Bühne bietet! Aber wenn es dein Nachbar ist oder dein Onkel ist: unbedingt! Ganz viel mit ihnen reden! Was sollen wir denn machen? Wir sind Zeugen davon, dass eine offene und solidarische Gesellschaft lebenswerter und besser ist. Und mehr Freude und mehr Liebe und mehr alles – was anderes hilft nicht.

Dota | Junkyard, Dortmund | Fr 26.4. 20 Uhr | Capitol-Theater, Düsseldorf | Fr 24.5. 20 Uhr

Interview: Frank Schwarzberg

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