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Felicity Korn
Foto: Knut Zielensky

„Bei der Wertschätzung ist noch Raum nach oben“

27. Februar 2019

Kuratorin Felicity Korn über Fotografinnen an der Front im Kunstpalast – Sammlung 03/19

Felicity Korn, Referentin des Generaldirektors am Museum Kunstpalast in Düsseldorf, kuratiert die Ausstellung „Fotografinnen an der Front“ und spricht mit uns über weibliche Blicke und den Voyeurismus des Grauens.

trailer: Frau Korn, ist die Furcht der Mächtigen vor weiblichen Kriegsberichterstatterinnen größer?
Felicity Korn: Also die Rolle von Kriegsfotografinnen hat sich von den 1930ern bis heute sehr gewandelt und man kann eindeutig sagen, dass die Frauen im Zweiten Weltkrieg eine noch sehr extravagante Rolle eingenommen haben. Ihnen wurde nicht erlaubt, an die Front zu fahren, also konnten sie im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen nicht das Frontgeschehen dokumentieren. Das hing nicht mit einer Angst vor den Frauen zusammen, sondern damit, dass man sie schützen wollte. Später gab es keinen großen Unterschied zu den großen männlichen Kollegen. Vietnam hat ja sehr schnell gezeigt, was für Folgen eine kritische Foto-Berichterstattung hat und da gehen auch die Fotografinnen mit leuchtendem Beispiel voran. Die Militärs und die Politiker haben schnell gelernt, wodurch sich auch der Embedded Journalism entwickelt hat, dessen Regeln genauso für Frauen wie für Männer galten.

Felicity Korn
Foto: Knut Zielensky
ZUR PERSON
Felicity Korn,
geboren in Bremen, studierte Kunstwissenschaft, Ausstellungsdesign und Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Von Oktober 2012 bis September 2017 war sie in der Abteilung Kunst der Moderne des Frankfurter Städel Museums tätig und ist seit Oktober 2017 Referentin des Generaldirektors am Museum Kunstpalast in Düsseldorf.

Die Wertschätzung für die Fotografinnen ist aber über die Jahrzehnte gestiegen?
Ja. Die Anerkennung und die Tatsache, dass es immer selbstverständlicher ist, dass Frauen auch von der Front berichten, ist auf jeden Fall gestiegen. Bei der Wertschätzung ist noch Raum nach oben.

Fotografieren Frauen anders? Haben sie persönlichere Blicke als Männer?
Nein. Und genau das zu zeigen, ist Ziel der Ausstellung. Wir wollen zeigen, dass es viele Fotografinnen gab und denen bisher nicht die Aufmerksamkeit zuteil geworden ist, die ihnen wie wir finden gebührt. Vielen der Bilder kann man nicht ansehen, ob sie von Gerda Taro oder Robert Capa, Christine Spengler oder Donald McCullin gemacht wurden. Es gibt schon Ausnahmen wie Lee Miller, die für ein Modemagazin fotografiert hat, also speziell für eine weibliche Leserschaft und die dann andere Motive ausgewählt hat. Dann gibt es Christine Spengler, die sich zur Aufgabe gemacht hat, das Schicksal von Frauen und Kindern hinter den Frontlinien zu dokumentieren. Das hätte genauso gut ein Mann machen können.

Wie echt kann eine Fünfhundertstel Sekunde mitten im Krieg überhaupt sein?
Es ist der einzige Weg, wie die Öffentlichkeit an einem Krieg teilhaben kann. Neben persönlichen Berichten der Teilnehmer des Kriegs natürlich. Ich glaube, das ist so nah dran wie man eben dran sein kann, wenn man nicht direkt am Kriegsgeschehen teilnimmt. Wir haben extra auch Fotografinnen ausgesucht, wo wir sicher sind, dass wir nichts nehmen, was irgendwie überinszeniert ist. Wenn man die Erfahrungsberichte der Fotografinnen liest und mit denen spricht, lernt man ganz schnell, und das sagte auch Anja Niedringhaus [deutsche Fotojournalistin, im April 2014 in Afghanistan erschossen; d. Red.], dass es nicht funktioniert, wenn man das Foto zu bauen versucht. Die besten Fotos sind wirklich die, wo sie selber einfach abgedrückt hat und dann am Ende selbst überrascht war.

Aber wer auswählt und Bilder veröffentlicht, manipuliert die Geschichte?
Natürlich haben die Redaktionen einen großen Anteil am Ergebnis. Die Fotografinnen liefern ihr Material und arbeiten eventuell noch mit Agenturen zusammen, die sie dann schützen. Lee Miller hat auch die Texte zu ihren Bildern, sogar den ganzen Artikel geschrieben, aber auch die hatte keinen Einfluss auf die Gestaltung.

Beim Embedded Journalism produziert man das zensierte Foto ja schon vor Ort, weil man ja aussucht, wo man die Journalisten hinlässt.
Anja Niedringhaus war ja ganz viel als Embedded Journalist unterwegs und sie ist wirklich ein gutes Beispiel, um zu zeigen, wie sie das ganz elegant umgangen ist. Sie hat Mittel und Wege gefunden, Fotos zu machen, die zwar akzeptiert wurden, aber die trotzdem einen ganz bestimmten Einblick in den Krieg bringen. Es gibt dieses Foto von ihr von dem Kapuzenmann, wo das amerikanische Militär immer verneint hat, dass sie den Gefangenen Kapuzen überstülpen. Sie ist dann erst einmal aus dem Embedded rausgeflogen.

Anja Niedringhaus: Amerikanische Marineinfanteristen führen eine Razzia im Haus eines irakischen Abgeordneten im Stadtteil Abu Ghraib durch; Bagdad, Irak, November 2004

Hat sich die Bildästhetik von Fotografien von der Front im Laufe der Jahrzehnte verändert?
Ja, klar. So wie sich die ganze Bildästhetik im Fotojournalismus geändert hat. Das trifft natürlich auch auf die Kriegsfotografie zu.

Benötigt der Besucher nicht auch ein minimales Maß an Voyeurismus des Grauens?
Das ist ein schmaler Grat. Es ist sehr subjektiv, wie man diese Fotos wahrnimmt. Natürlich gibt es Fotos von Leichen, aber es gibt keine Fotos, die wir ausgesucht haben, weil das Blut in Strömen fließt oder weil es ein besonderes Gemetzel zeigt. Ziel dieser Ausstellung ist kein dokumentarisches Interesse, sondern der Blick auf die Ästhetik des Bildes. Und es ist eher interessant, wie die Fotografinnen das hinbekommen, dass das Motiv einen in seinen Grundfesten erschauern lässt, und man aber trotzdem nicht weggucken möchte.

Der zeitgenössische Wandel zum (auch nicht wahrhaftigen) Handyvideo: Der Job für die Fotografen wird schwerer.
Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass ein Foto oft mehr über einen Moment aussagen kann als ein Video. Und es sind gerade die Bilder, die Bestand über einen Bericht in einer Zeitung oder auf einer Website hinaus haben, die uns interessieren.

Fotografinnen an der Front | 8.3. bis 10.6. | Kunstpalast Düsseldorf | 0211 56 64 21 00

Interview: Peter Ortmann

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