Die neue Gattung mit dem groß vorangestellten „E“ hat es noch schwer. Seit den ersten Bastlerlösungen sind gut 40 Jahre vergangen, mehrere – inszenierte – Hypes blieben ohne nennenswerten Erfolg. Der deutsche Markt spürt kaum Nachfrage, wohl auch, weil für die als „revolutionär“ gefeierte Erfindung einige liebe Gewohnheiten aufgegeben werden müssen. Dennoch glaubt die Branche fest, dass 2011 das „Jahr des Durchbruchs“ sein werde. Und eine gute Neuigkeit aus den USA gibt es tatsächlich: Zum ersten Mal hat jetzt das Web-Kaufhaus Amazon in einem Quartal mehr E-Books als gedruckte Bücher verkauft.
Auf Elektrofahrzeuge übertragen, könnte 2020 ein solcher Meilenstein in Deutschland werden. Eine Million Autos mit Volt statt Oktan peilt die Bundesregierung dann an – was einem Anteil von zwei bis zweieinhalb Prozent am gesamten Pkw-Bestand entspräche. Selbst um dieses bescheidene Ziel zu erreichen, müssten die Automobilbauer allmählich mit der Serienfertigung, aber auch mit der Erwärmung des Marktes anfangen. Eine trailer-Recherche bei den großen Herstellern ergab: einige sind schon ganz gut positioniert.
Bunt, trendy, europäisch – so hat Mercedes-Benz seine Kampagne für den „Smart electric drive“ aufgestellt. Und geht damit über die Dörfer namens Berlin, Rom, Zürich, Paris oder Madrid. Jeweils für einige Wochen stellte der Autobauer seine „Urban Stage“ auf, einen lindgrünen Pavillon, in dem die Gäste Zukunftsprojekte für das Metropolenleben bestaunen konnten. Und natürlich den Elektro-Smart „er-fahren“ – online anmelden, Führerschein mitbringen, fertig. „Elektrisch fahren ist eine ganz, ganz neue Erfahrung“, gab Vertriebschef Marc Langenbrinck den Testpiloten mit auf den Weg, „Sie nehmen die Stadt völlig anders wahr.“ In den ersten sechs Hauptstädten setzten sich immerhin 9200 Testfahrer hinters Steuer, die zweite Staffel kommt in diesem Jahr nach London, Amsterdam und Barcelona, aber auch Frankfurt und Köln.
Auf deutschen Straßen rollen inzwischen 300 Schnupper-Smarts als Appetitanreger. In der ersten Reihe: die Teilnehmer der Pilotprojekte in Berlin, Hamburg, Stuttgart und München. Dem Vernehmen nach stehen aber auch 45 City-Mobile bereit, um in kleinen Gruppen als „Roadshow“ über Land zu tingeln und sich anfassen und fahren zu lassen. 2012 wird der Smart (im Ruhrgebiet etwa über die Lueg-Gruppe) erhältlich sein, wenig später die elektrifizierte A-Klasse sowie das B-Modell mit Brennstoffzelle.
Auch andere Hersteller, die 2011 oder später mit dem Verkauf starten, setzen auf Modellprojekte: BMW schickte bisher 612 E-Minis in die Test-Kundschaft, um zwischen Berlin und Peking „sehr breite Erfahrungen“ zu sammeln. Die bekamen sie – etwa von dem Architekten Thomas Kolb: „150 Kilometer Reichweite sind in Ballungszentren völlig ausreichend. Aber der E-Mini ist nur noch Zweisitzer - und mit 205 PS total übermotorisiert.“ Bekanntlich kommt nun statt seiner 2013 der i3 als Leichtbaufahrzeug. Noch in diesem Jahr bringt BMW aber den „Active-e“ als Vorserienversion zum Ausprobieren unters Volk.
Flott dabei sind bereits die Franzosen: Den Marktstart von C-Zero und Berlingo hat Citroën laut Sprecher Stephan Lützenkirchen „mit Foren, Messen und Probefahrt-Aktionen“ vorgewärmt. In den nächsten Wochen rollen die ersten Exemplare in die Salons und werden mit einer Frist von 12 bis 16 Wochen lieferfähig sein. Man kalkuliert, dass zunächst 95 Prozent an Groß- und Flottenkunden gehen: zum Beispiel die Deutsche Bahn, die den C-Zero im Car-Sharing einsetzen will. Wie Citroën machte sich auch Renault Konzepte, um interessierten Kunden umfassende Mobilität anzubieten. Wer im Metropolen-Alltag mit dem Elektroauto gut bedient ist, soll Hilfe von seinem Händler erwarten können, wenn es zweimal im Jahr auf größere Urlaubstour geht. „In Paris bekommen sie innerhalb von drei Stunden ein langstreckentaugliches Mietauto“, sagt Renault-Sprecherin Uta Nolte. Der Autobauer mit der Raute hat als Erster sechs ausgewählte Partnerbetriebe in der Modellregion Rhein-Ruhr benannt, die Verkauf und Hochvolt-Service übernehmen. Im Ruhrgebiet sind das die Autohäuser Eisenstraße (Dortmund), Boden (Essen) und Witzel (Bochum).
Mit einer Reservierungsaktion im Internet fahndet Opel nach Interessenten für den neuen Ampera – 3300 sollen nach Werksangaben bereits angebissen und 150 Euro für den Eintrag in eine E-Pionier-Liste gezahlt haben. In Rüsselsheim erwägt man ebenso eine spezielle „Roadshow“ zum offiziellen Bestellstart im Sommer. Ins eigene 43.000-Euro-Gefährt werden Ampera-Kunden dann wohl am Jahresende einsteigen können.
Den Kunden ideenreich Appetit auf Elektro-Mobile zu machen, ist aber auch Sache der Händler vor Ort. Opel-Mann Hendrik Rüschkamp, der in Lünen, Lüdinghausen und Selm drei Autohäuser betreibt, will nicht nur in diesem Jahr zehn E-Autos verschiedener Hersteller lieferfähig haben (neben Ampera und Chevrolet Volt auch Fiat 500, Suzuki Stromos oder den Flitzer Fisker Karma). Rüschkamp beschaffte auch einen Peugeot iOn und stellte ihn einem befreundeten Car-Sharer zur Verfügung. Zudem hat er den Nachwuchs im Auge. „Bei uns bekommt jeder Führerschein-Neuling eine kostenlose E-Teststunde“, hat sich das Mitglied im Bochumer Ruhrmobil-E-Netzwerk ausgedacht. Und: „Wir sind gerade dabei, eine Fahrschule zu elektrifizieren.“ Mit emissionsfreien Antrieben, versteht sich.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Auslöschen der Geschichte
Diskussion über Erinnerungskultur in Argentinien im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Spezial 04/25
Mythos des Widerstands
Die Lesung „Das deutsche Alibi“ in Bochum – Spezial 04/25
Klasse der Marginalisierten
Vortrag über Armut in der VHS Essen – Spezial 03/25
Neue Bündnisse, alte Krisen
Online-Diskussion „Wie weiter nach der Bundestagswahl?“ – Spezial 02/25
Deckeln gegen die Mietbelastung
Online-Diskussion „Sind die Mieten noch zu bremsen?“ – Spezial 01/25
Was erreicht worden ist
Warum Nostalgie auch in die Zukunft weist – Spezial 01/25
Ehrung für ein Ruhrgebiets-Quartett
Verleihung des Brost-Ruhr-Preises 2024 in Bochum – Spezial 11/24
Klimaschutz = Menschenschutz
„Menschenrechte in der Klimakrise“ in Bochum – Spezial 11/24
Digitalisierung 2.0
Vortrag über KI in der VHS Essen – Spezial 10/24
Minimal bis crossmedial
Rekorde und Trends auf der Spiel Essen – Spezial 10/24
KI, eine monströse Muse
12. Kulturkonferenz Ruhr in Essen – Spezial 09/24
Wurzeln des Rechtsextremismus
Online-Vortrag „Ist die extreme Rechte noch zu stoppen?“ – Spezial 09/24
Wem gehört die Ökosphäre?
Seminar „Die Rechte der Natur“ in der VHS Dortmund – Spezial 05/24
Stimmen der Betroffenen
Vortrag über Israel und Nahost in Bochum – Spezial 04/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
„Was im Ruhrgebiet passiert, steht im globalen Zusammenhang“
Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken über den Strukturwandel – Über Tage 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
„Einer muss ja in Oberhausen das Licht ausmachen“
Fußballfunktionär Hajo Sommers über Missstände im Ruhrgebiet – Über Tage 02/24
„Mir sind die Schattenseiten deutlicher aufgefallen“
Nora Bossongüber ihre Tätigkeit als Metropolenschreiberin Ruhr – Über Tage 01/24
„Hip-Hop hat im Ruhrgebiet eine höhere Erreichbarkeit als Theater“
Zekai Fenerci von Pottporus über Urbane Kultur in der Region – Über Tage 12/23
Suche nach Klimastrategien
Gespräch im Essener LeseRaum Akazienallee – Spezial 11/23
„Das Ruhrgebiet erscheint mir wie ein Brennglas der deutschen Verhältnisse“
Regisseur Benjamin Reding über das Ruhrgebiet als Drehort – Über Tage 11/23
„Kaum jemand kann vom Schreiben leben“
Iuditha Balint vom Fritz-Hüser-Institut über die Literatur der Arbeitswelt – Über Tage 10/23