Dortmund, 11. Mai – „Between Us“ nannte Gastkuratorin Katrin Mundt das Filmprogramm, dass sie flankierend zur Ausstellung „Democracies“ des Hartware MedienKunstVereins im Dortmunder U vorstellte. In dem inspirierenden Experimentalfilm-Programm gelang es plausibel, die Brücke zu schlagen zwischen Kunst und Film der polnischen Kunstszene seit den 70er Jahren, die, so Katrin Mundt in ihrer präzisen Einführung, sich in direktem Austausch gegenseitig immer wieder befruchteten. Besonders erhellend zu sehen, dass auch aus den älteren Arbeiten spannende Impulse ausgehen für unseren aktuellen Umgang mit Politik in der Kunst. Die offene Form als Methode und die Annahme, dass die Rezipienten, also wir, Co-Autoren sind.
„Between Us“ - Unter uns, zwischen den Künstlern und den Zuschauern, findet also das künstlerische Ereignis erst statt. Es ist keine Einbahnstraße, sondern ein gemeinsamer Austausch, der einen in Zeiten der allseits beschworenen Politikverdrossenheit beflügeln kann. Da partizipatorische Konzepte noch heute brandaktuell sind, lohnt ein Blick zurück in jedem Fall. Die offene Form und die Tatsache, dass jede künstlerische Geste erst dann vollständig sei, wenn sie sich von den Nutzern angeeignet wurde, war die Prämisse, die Oskar Hansen Ende der 50er Jahre an der Kunstakademie in Warschau ausgab und die sehr folgenreich für die weitere Entwicklung der polnischen Kunstszene bis heute war. Dieser Entwicklung folgte das Filmprogramm, indem es im ersten Teil der künstlerischen Methode des Spielerischen nachspürte, dessen sich die polnische Kunstszene gern bediente. Gerade das prozesshafte und performative Moment dieser Art der künstlerischen Aktion ist ein dankbares Aktionsfeld für die filmische Dokumentation. Das gelingt dem legendären Künstler-Duo KwieKulic in den 1970er Jahren ebenso wie heute beispielsweise Anna Molska, der in „Tanagram“ mit Anspielungen auf die historische Avantgarde eine witzige Arbeit im popkulturellen Gewand gelingt.
Der Frage nach dem Politischen in der Kunst wurde in dem Programm facettenreich und subtil nachgegangen. Wie kann Kunst politisch sein ohne dass sie explizit politische Inhalte hat, politisch möglicherweise im Sinne einer Interaktion, die neue gesellschaftliche Konstruktionen aufschimmern lässt jenseits des festzementieren Status quo und jenseits eines ausdefinierten Kunstkanons. Dass das Programm hier ohne didaktische oder moralische Erklärungen auskam, ist hoch anzurechnen. Besonders provokativ der Ansatz von Artur Zmijewski, dem noch bis zum 22. Juli die Ausstellung „Democracies“ im HMKV gewidmet ist und der im Filmprogramm mit seiner Arbeit „Oni“ (Them) vertreten war. Hier lässt er im geschützten künstlerischen Raum vier politische Gruppen in spielerischer Konfrontation aufeinander los: Linke, kirchentreue Frauen, junge Nationalisten und junge polnische Juden bekommen im Atelier Pinsel und Farbe in die Hand und schaffen sich jeweils ein Selbstbild. Beim nächsten Treffen werden die Gruppen aufgefordert, die Bildnisse der anderen fortzusetzen, alles sei erlaubt. In mehreren Sitzungen beginnt nun ein Hauen und Stechen im wahrsten Sinne des Wortes. Da werden beispielsweise nationalistische Symbole der einen Gruppe von der nächsten überpinselt, und immer fort, bis die einen die Bilder der anderen abfackeln und aus dem Fenster schmeißen. Zurück bleiben ein leeres, verwüstetes Atelier und eine filmische Dokumentation, die bisweilen amüsant, aber gleichfalls eine schockierende Gesellschafts-Karikatur liefert.
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