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Christian Wagner liest aus "Das Ende der Geduld"
Foto: Betty Schiel

Über Recht und Gerechtigkeit

23. Januar 2015

„Das Ende der Geduld" im Kino im U Dortmund – Foyer 01/15

Dortmund, 20.1. - „Forum Master Film“ ist eine neue Reihe, die das Kino im U gemeinsam mit der FH Dortmund – Studiengang Film zeigt. Regisseur Christian Wagner kam, um seinen Film „Das Ende der Geduld“ zu diskutieren und begann den Abend mit einer Lesung aus dem gleichnamigen Buch von Kirsten Heisig. Die Jugendrichterin aus Berlin hatte posthum Aufsehen mit diesem Werk erregt, das einen neuen Umgang mit jugendlichen Straftätern fordert. Wagner arbeitet im Gespräch heraus, wie aus einem „sehr, sehr sachlichen Sachbuch“ ein Spielfilm entstand. Hauptfigur ist für ihn die unkonventionell agierende Jugendrichterin; von den einen „Richterin gnadenlos“, von den anderen „Richterin Courage“ genannt. Zunächst dominieren statistische Zahlen die Einführung: Arbeitslosigkeit von über 18%; Jugendämter praktisch ohne finanzielle Mittel, die über Transferleistungen hinausgehen; rund 500 jugendliche Intensivtäter, davon fast drei Viertel türkischer oder arabischer Herkunft. Was hat die Herkunft der Jugendlichen mit den Straftaten zu tun, und warum wird dies gebetsmühlenartig in einen Kausalzusammenhang gestellt?, fragt man sich. In jedem Fall sind in dem Film „Das Ende der Geduld“ Nazir und seine libanesische Gang die Bösen, auch wenn Christian Wagner im Gespräch mit großem Engagement über Einzelschicksale aus seinen Recherchen vor Ort erzählt.

Regisseur Christian Wagner im Filmgespräch

Ausgangspunkt für das Drehbuch war nach Wagner die Faszination für die Person Kirsten Heisig: Eine Frau mit Zivilcourage, die versucht im bestehenden Rahmen etwas zu verändern. Eine, die trotz der scheinbaren Vergeblichkeit mit allen Mitteln eine Verbesserung herbeiführen will, auch auf Kosten der eigenen emotionalen und psychischen Gesundheit. Denn mit ihrem Freitod beginnt vorwegnehmend der Film und rollt dann zwei Arbeitsjahre der Richterin auf. Wagner findet es sinnvoll, ihr „Neuköllner Modell“ mit einem vereinfachten Verfahren anzuwenden. Bürokratie, die sich endlos hinzieht, müsse beschleunigt werden. Die Jugendgerichtsbarkeit stehe am Ende einer Kette von gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, und Heisig wollte nicht länger in einem „Reparatur-Betrieb“ arbeiten. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der an Problemen bewusst vorbei geschaut wird, und wir versagen als Staat und als Individuen. Das können wir uns nicht mehr leisten“, zitiert der Filmemacher die Richterin.

Wagner prangert die massive Ungleichheit zwischen Arm und Reich an und verbindet seinen Vorwurf an die Gesellschaft mit der Aufforderung, viel Geld in die Hand zu nehmen, um zumindest für eine Testperiode alles daran zu setzen, straffälligen Jugendlichen zu helfen. Dazu gehöre essentiell ein ausreichendes Angebot an Sprachkursen. „Wir haben die Verantwortung für die Kinder. Und unsere Gesellschaft hängt von Einwanderung ab“, stellt Wagner klar. Zum Abschluss der Debatte bietet Moderator Fosco Dubini an, über andere Modelle der Rechtsprechung nachzudenken, in der auch Emotionen Platz haben können. Was ist Recht und was ist gerecht? Und wofür wollen wir stehen?

Die nächste Veranstaltung in der Reihe „Forum Master Film“ ist „White Shadow“ (27.1., 19 Uhr) in Anwesenheit des Regisseurs Noaz Deshe.

TEXT/ FOTOS: Betty Schiel

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