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Britta Peters
Foto: Henning Rogge

„Kein Festival, sondern ein Versprechen“

30. Mai 2018

Britta Peters, Künstlerische Leiterin bei Urbane Künste Ruhr – Sammlung 06/18

Seit Anfang des Jahres ist Britta Peters die Künstlerische Leiterin bei Urbane Künste Ruhr. Die dezentrale Institution für Gegenwartskunst im Ruhrgebiet bekommt so auch eine neue Struktur.

trailer: Frau Peters, wem nutzt urbane Kunst?
Britta Peters: Die Gegenfrage hieße: Was ist urbane Kunst? Denn das ist ja überhaupt nicht definiert. Mein Background ist Kunst im öffentlichen Raum. Die erste grundsätzliche Entscheidung ist also, dass Kunstprojekte nicht unbedingt im Museum stattfinden müssen. Einige Arbeiten brauchen das Museum als Schutzraum, viele andere Arbeiten profitieren enorm von dem Kontext, in den sie sich einschreiben können, wenn sie aus dem Museum rauskommen und umgekehrt: Häufig gibt es wesentlich mehr Bezüge und Berührungspunkte, wenn künstlerische Arbeiten an anderen Orten stattfinden als in den traditionellen Ausstellungsräumen mit einem Publikum, das vielleicht gar nicht unterwegs ist, um ins Museum zu gehen.

Was ist denn bei Urbane Künste Ruhr seit 2018 neu, was ist anders?
Neu und anders ist, dass ich die Projekte zu einem Ruhrgebiets-übergreifenden Format bündele, das ich das „Ruhr Ding“ nenne. Da finden dann 15 bis 20 Projekte mit einer Laufzeit von acht Wochen zeitgleich statt, Anfang Mai 2019 zum ersten Mal. So können die einzelnen künstlerischen Positionen aufeinander bezogen werden, damit vielleicht das Publikum, das zum Beispiel in Dortmund ein Projekt sieht und es interessiert findet, sich dann auch auf den Weg nach Bochum oder nach Wattenscheid macht, um dem Gesamt-Projekt zu folgen.

Die Urbanen Künste kommen ja in der Mehrzahl daher. Welche Künste fallen denn darunter?
Also ich denke das alles im Ausstellungsformat, das heißt vor allem Installationen. Wenn Performance, dann eher Langzeit-Performance, wenn Skulptur dann zum Teil auch dauerhaft. Wir planen aber auch eine Kooperation mit dem Museum Folkwang, da es eine Malerei-Position gibt, die ich inhaltlich für das Ruhr Ding interessant finde. In erster Linie geht es mir aber darum, dass die Urbanen Künste Ruhr kein Festival sind, sondern dass es ein Versprechen gibt über die Dauer von acht Wochen: da sind die Dinge sichtbar, und zwar sowohl für das regionale, als auch für ein überregionales Publikum, das sich dann auf den Weg macht.

Quasi ewige Wanderschaft beim Wandersalon?
Der Wandersalon ist eine Möglichkeit, etwas, das wir im Office aushecken, öffentlich zu machen: die Künstlerinnen und Künstler vorzustellen, mit denen wir in Kontakt sind, und ein Publikum auch an der Entwicklung von so einer Ausstellung teilhaben zu lassen.


Filmstill aus der Video-Installation von Peggy Buth, Vom Nutzen der Angst, Foto: © Peggy Buth

Auch in Konkurrenz zu anderen Kulturinstitutionen im Ruhrgebiet wie etwa dem HMKV in Dortmund oder dem PACT Zollverein in Essen?
Also wir kooperieren ja sehr viel, mit dem HMKV Dortmund beispielsweise für die erste Ausstellung, dann auch mit anderen Institutionen aus der Region. Ich sehe das überhaupt nicht als eine Konkurrenz, sondern als eine Möglichkeit, verschiedene Institutionen, die wie das Zollmuseum oder ein Taubenzüchterverein nicht nur aus dem Bereich Kunst und Kultur kommen, quer zu vernetzen. So werden alle Teil eines Ausstellungsprojekts und als solche auch kommuniziert. Das ist über diese großen Distanzen natürlich ein Experiment, in gewisser Weise vergleichbar mit der Initiative der Ruhrmuseen bei „Kunst und Kohle“, die ja auch einen übergeordneten Zusammenhang herstellen – mit dem großen Unterschied allerdings, dass wir uns querfeldein bewegen.

Kommen wir zur Ausstellung von Peggy Buth. Warum ist Angst momentan ein so großes Thema?
Sie nennt das „Vom Nutzen der Angst“ und analysiert die eigentliche Angstmacherei. Das ist ein großes Thema, weil sie medial geschürt wird und es aus verschiedenen Gründen Verunsicherungen gibt, denen aber meiner Meinung nach auch sehr wenig entgegengesetzt wird. Also der Titel deutet ja schon an, dass es um die Analyse von ökonomischen und politischen Interessen geht, die diese Angst gerne am Kochen halten.

Britta Peters
Foto: Henning Rogge
Zur Person
Kuratorin Britta Peters ist seit Januar 2018 Künstlerische Leiterin von Urbane Künste Ruhr. Zuletzt realisierte sie im Team mit Kasper König und Marianne Wagner die Skulptur Projekte Münster 2017. Sie lehrt u.a. an der Hochschule für bildende Künste (HFBK) Hamburg und der Kunstakademie Münster.

Wem erzählt man das oder besser: Wie kann man es schaffen, sich von der Unsicherheit menschlicher Verhältnisse zu lösen?
Indem man sich dann wirklich genau diese Frage stellt, die Sie gerade gestellt haben und die auch Peggy Buth stellt. Wem nutzt die Angst oder warum gibt es in so einem reichen und eigentlich sicheren Land wie Deutschland im Moment so eine große Verunsicherung? Und wo führt das hin?

Erst einmal in urbane Stadträume. Glauben Sie, dass das Ruhrgebiet eine Metropole ist?
Nein. Ich bin der Meinung, das Ruhrgebiet ist das Ruhrgebiet. Mit seinen ganzen Eigenarten und seiner langen Geschichte. Dieser Begriff der Urbanität wird immer unterschiedlich definiert. Es gibt diese trendy Vorstellung, urban sei, wenn auf einer Straße in fünf Cafés fünf verschiedene Sorten Milchkaffee angeboten würden. In dieser Hinsicht ist die Region natürlich nicht urban, das braucht man aber auch nicht. Ich brauche keinen Zimt und was weiß ich noch alles in meinen Kaffee. Ich finde das Ruhrgebiet ist auf jeden Fall urban, gerade im Hinblick auf die größtmögliche Heterogenität an Lebensläufen, an Lebensbedingungen, an Natur-, Landschaftssituationen, die hier alle aufeinanderprallen. Am Anfang hat man das Gefühl, es gibt sehr viele Ähnlichkeiten, auch der Städte untereinander, aber wenn man dann etwas genauer hinschaut, sieht man auch die großen Unterschiede.

Was ist Ihre größte Baustelle an der Ruhr?
Ehrlich gesagt, bin ich manchmal etwas eingeschüchtert durch die Dimensionen hier. Die Dimension von dem gesamten Gebiet, die Dimension von den Industrieanlagen, von den historischen, wie aber auch hier bei uns nebenan, des Bochumer Vereins, die Anlagen sind teilweise noch in Betrieb. Da kann man schnell denken, wow, das ist alles sehr überdimensioniert. Und das ist eine große Herausforderung dort überall mit Kunst in Beziehung zu treten, weil das schon selbst eine sehr eindrucksvolle Landschaft ist, eine Kulturlandschaft im Sinne von Industriekulturlandschaft. Ich weiß nicht, ob man das als Baustelle bezeichnen kann, weil eine Baustelle würde irgendwann fertig werden. Das ist hier mehr so eine Ewigkeitsaufgabe.

Peggy Buth: Vom Nutzen der Angst – The Politics of Selection | 11.8.-23.9. | ehem. Kirche St. Barbara, Duisburg-Rheinhausen | Eintritt frei

Wandersalon mit Peggy Buth | Kino im U, Dortmund | Mi 6.6. 18 Uhr | www.urbanekuensteruhr.de

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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