Ein sommerliches Wochenende fordert geradezu einen fulminanten Ausklang des Sonntagabends. Mehr als 360 Millionen verkaufte Platten und über 30 Tophits sind Fakten, die beeindrucken. Dabei ist es vor allem die ältere Generation, die von dem Londoner Albert Hammond begeistert ist. Doch wer als junger Mensch ein kleines bisschen Radio hört oder Eltern hat, die diese Musik lieben, kann bei den meisten Balladen und Popsongs mitsingen oder zumindest die Melodie summen. Schade ist dennoch, dass nur wenige junge Leute beim Betreten der Christuskirche zu sehen sind. Allerdings liegt eine ähnliche Vorfreude und Aufregung in der Luft, als wenn gleich Lady Gaga auf der Bühne stünde.
Applaussalven aus dem Publikum unterbrechen immer wieder die eingespielte Musik, die die Zeit bis zum Konzertbeginn verkürzen soll. Bis Albert Hammond voller Elan und mit einem einnehmenden Lachen auf die Bühne springt. Begleitet von seiner Band beginnt die „Songbook“-Tour 2013 durch fast 50 Jahre Musikgeschichte. Als einer von wenigen Singer/Songwritern schafft es Hammond, seinen Liedern einen zeitlosen Klang zu geben. Klassiker, die nie aus der Mode kommen, lassen das Alter plötzlich ziemlich unbedeutend werden. Seine Lieder sind gut bekannt, Teil des musikkulturellen Gedächtnisses. Mit „99 Miles from L.A.“ oder „The Air that I breathe“ bringt der 1944 in London geborene Musiker die Bochumer zum Träumen. So schleicht sich hier und da der Arm eines Mannes um die Schultern der Ehefrau, und verstohlen tauscht man kleine Küsse auf die Wange aus. „Little Arrows“, „Nothing's gonna stop us now“ und „Down by the River“ hingegen lassen die Stimmung immer ausgelassener werden. Es wird kräftig geklatscht und mitgesungen, einige hält es nicht mehr auf ihren Plätzen. Das Kirchenschiff der Christuskirche wird nach und nach zu einer riesengroßen Bühne, die Stimmung steht der bei Konzerten jüngerer Stars in kaum etwas nach.
Spätestens dann, als Hammond erklärt, dass „ihr die Gäste seid, die ich in mein Wohnzimmer eingeladen habe“, bricht das letzte, noch verbliebene Eis. Sich selbst bezeichnet Hammond als „einfachen Mann, wie du und ich, der ein bisschen Musik macht“. Dass er dies mit großer Freude tut, sieht man ihm an, und so ist es für ihn auch ein Leichtes, aus dem Publikum hereingerufene Songs anzuspielen. Jedes seiner Lieder begleitet Hammond mit kleinen Entstehungsgeschichten, die die vergangenen Jahre lebendig werden lassen. Die von Whitney Houston gesungene Ballade „One moment in time“, extra für die Olympischen Spiele 1988 komponiert, darf dabei ebenso wenig fehlen wie „When I need you“, mit dem Hammond dann einen ganz persönlichen Lieblingssong spielt, bei dem es unmöglich ist, nicht in Erinnerungen zu schwelgen.
Einen passenden Abschluss findet Hammonds „Songbook“-Tour mit dem Lied „It never rains in Southern California“. Selbst Tanzmuffel hält es dabei nicht mehr auf den Sitzen: Es wird geschunkelt, geklatscht, getanzt und mitgesungen. Ein perfekter Ausklang eines wunderbaren Konzerts – danke, Albert Hammond.
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