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ASCETIC:-Sänger und Bassist August Skipper
Foto: Daniel Beiderwieden

Schmerzen zum Dahinschmelzen

23. März 2015

Melting Sounds Festival führt den Bahnhof Langendreer in die Dunkelheit – Musik 03/15

Trauer kann auch Spaß machen – das bewiesen am 20. März vier Bands im Rahmen des Melting Sounds Festivals. Aus Down Under, Frankreich oder auch einfach aus dem Nachbarort kamen aufsteigende und namhafte Vertreter des Post Punk und Goth Rock in den Bahnhof Langendreer, um gemeinsam mit den Besuchern einen Abend der melancholischen Nostalgie zu verbringen und eine Brücke zwischen dem Dark Rock vergangener Jahrzehnte und den modernen Sounds der Schwarzen Szene zu schaffen.

Die oft gefürchtete und wohl schwierigste Aufgabe des Abends übernahm SIEBEN, mit bürgerlichem Namen Matt Howden, ganz allein. Umso mehr beeindruckte sein Auftritt, der das Publikum direkt in die vorderen Reihen lockte und erfolgreich die Stimmung vorantrieb. „The Mighty Sieben“, wie er von Fans gern genannt wird, arbeitete bereits an dem Soundtrack zum Horrorkassenschlager SAW II mit. Bewaffnet mit Violine und Looper zaubert Howden Erstaunliches aus seinen Möglichkeiten hervor. Mit vollem Körpereinsatz kreierte er live auf der Bühne die Rhythmen zu seinen Liedern. Hier blieb es nicht bei der Variierung der Gesangsstimme oder dem Klopfen auf den Holzkörper der Geige – zentraler Bestandteil der Rhythmusproduktion sind auch Howdens Bartstoppeln. Am Steg seines Instruments gerieben erzeugen sie ein Geräusch ähnlich einer Rassel, das die Songs mit seinem unaufgeregten Klang hinterlegt. Dabei trat SIEBEN als entspanntester Interpret des Abends auf, gab sich in keiner Weise unnahbar, sondern erfreute das Publikum mit britischem Akzent und trockenem Humor.

der Stoppelrhythmus von SIEBEN, Foto: Daniel Beiderwieden

Deutlich düsterer wurde es mit dem Trio ASCETIC: aus Australien. Der Bedeutung ihres Bandnamen kommen August Skipper, Saxon Jorgensen und Andrew Jigalin musikalisch recht nah, denn das Wort „Akese“ wird im Duden gleichgesetzt mit Strenge, Enthaltsamkeit, Abstinenz und Nüchternheit. Beinahe schien das Trio den Mittelpunkt des Geschehens zu scheuen, ließ sich ausschließlich in dunkelrotem Licht beleuchten und wirkte fast schon in sich gekehrt. Mit August Skippers beschwörendem Gesang und pulsierenden, oft unaufgeregten Rhythmen erinnern ASCETIC: zuweilen an Joy Division und Sisters of Mercy. Dabei versinkt das Trio dennoch nicht im Sumpf des musikalischen Selbstmitleids, sondern bringt auch aggressivere Elemente in ihre Songs ein. Aus der Minimalbesetzung von E-Drums, Bass, Gitarre und Gesang holten sie so auch auf der Bühne das Maximum heraus.

aeon sable hatten bei Weitem die kürzeste Anreise: Aus Essen ging es für Din-Tah Aeon, Nino Sable, Jo und Quoth direkt in das Bochumer Kulturzentrum. Mit im Gepäck hatte die Dark Rock-Formation nicht nur ihre Instrumente, sondern auch eine Tänzerin, die das Publikum in ihren Bann zog. Das Duo aus Din-Tah Aeon und Nino Sable, unterstützt durch seine Live-Band, überzeugte mit einem souveränen Auftritt und seinem klar strukturierten Sound. Seit ihrem Debüt „Per Aspera Ad Astra“ haben sich aeon sable mit ihrer progressiven Musik einen Namen in der Szene gemacht. Goth Rock im Stil der 80er Jahre interpretiert die Band mit einem nahezu klinischen Drumgerüst, dessen Lücken mit einem Klangteppich aus klaren Instrumentalparts und Ninos eindringlicher Stimme gefüllt werden. Was aeon sable dadurch an Hooks einbüßen, gewinnen sie an Massentauglichkeit dazu. Der nostalgische Klang mit modernen Elementen sprach auch an diesem Abend generationenübergreifend das Publikum an.

Headliner und Abschluss des Melting Sounds Festival bildete die französische Band Soror Dolorosa, „Schwester Schmerz“ also oder freier übersetzt: „Die Liebhaber der Schmerzen“. Die französische Gruppe um Sänger Andy Julia ist mit ihrer Mischung aus Cold Wave und Post Punk im Mai dieses Jahres neben Bands wie Fields of the Nephilim und Mono Inc. beim Leipziger Wave Gotik Treffen zu sehen. Trotz wegen Krankheit fehlendem Gitarristen überzeugten Soror Dolorosa erwartungsgemäß mit ihrer nostalgisch-melancholischen Musik. Noch weiter zurück in der Zeit ging es mit Post Punk aus den 70ern und 80ern und modernen Einflüssen. Dabei erinnern Soror Dolorosa dezent an eigene Idole wie Depeche Mode und The Cure, jedoch ohne dabei wie einfache Kopien zu wirken. Sänger Andy Julia brachte die entscheidende Variation in die Songs: Mit tiefem, dunklem und eindringlichen und dann wieder sanftem, vertrautem und beinahe verletzlichem Gesang nahm er die Besucher mit in seine Welt und zeigte damit, wieso Soror Dolorosa den Platz des Headliners redlich verdient hatten.

Trotz aller Tristesse und Melancholie: Upbeat-Songs, spannende Melodien und aufregende Bühnenshows hielten das Publikum in Atem und verhinderten gekonnt die totale Trauerstimmung. So macht Weltschmerz Spaß.

Rika Talsinn

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