Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Vier Tage auf der Straße: ein Selbstversuch
Foto: Hüdaverdi Güngör

Auf der Straße

04. Januar 2017

Premiere von „Obdachlos – 4 Tage ein ‚Penner‘“ am 7.1. im Kulturzentrum Bottrop

Das Leid einer Personengruppe gegen das einer anderen auszuspielen, ist seit anderthalb Jahren zu einer Art rhetorischer Mode geworden. Nach Silvester 2015 schrieben sich zum Beispiel Gruppierungen mit zutiefst konservativen Vorstellungen von Geschlechterrollen plötzlich Frauenrechte auf die nationalistische Flagge, weil sich dadurch leicht Geflüchtete diskreditieren ließen. Andere erwidern auf jede Äußerung, die um Verständnis für die Lage von Geflüchteten wirbt, es solle sich doch endlich und zuerst mal um die Bedürftigen, Armen, Obdachlosen im eigenen Land gekümmert werden.

Diese Haltung birgt zwei Denkfehler. Erstens interessieren sich solche, die so argumentieren, oft erst dann für Bedürftige, Arme oder Obdachlose, wenn es ihnen zur Bestätigung ihrer Ressentiments nützlich scheint. Zweitens gibt es bereits Engagierte, die sich für Obdachlose einsetzen, über deren Situation aufklären wollen und ihnen eine Stimme zu geben versuchen – ohne andere Personengruppen dafür zu instrumentalisieren.

Neben zahlreichen Ehrenamtlichen oder SozialarbeiterInnen wenden sich auch Filmschaffende der Region der Thematik zu. Aktuell ist in einigen Ruhrgebietskinos die Doku „Brüchige Biografien“ zu sehen, die Alltag und Schicksal von Bochumer „bodo“-VerkäuferiInnen  zeigt.
Mit „Obdachlos – 4 Tage ein ‚Penner‘“ kommt nun der filmische Selbstversuch von Hüdaverdi Güngör dazu. Er ist durch die Straßen des winterlichen Kölns gezogen, lediglich bepackt mit warmer Kleidung, Schlafsack, Isomatte und den üblichen Vorurteilen, die auch die meisten von uns gegenüber Obdachlosen verinnerlicht haben. 

Der Trailer lässt vermuten, dass der Film zwischen Cinéma vérité und Direct cinema angesiedelt ist: Mal ist die Kamera bloßes Instrument der Beobachtung, sammelt Momentaufnahmen, hält die Interviews mit Obdachlosen fest. Die öffentliche Interview-Situation mit Kamera provoziert aber auch Passanten dazu, gängige Vorurteile wie „Dann geh doch arbeiten!“ ungefragt dazwischenzurufen und offenbart so, wie ein großer Teil der Gesellschaft über Obdachlose denkt.

Güngör möchte dadurch nicht nur individuelle Schicksale oder den Alltag von Obdachlosen aufzeigen, sondern die ZuschauerInnen dazu bewegen, ihre eigenen stereotypen Vorstellungen über das Leben auf der Straße und die Ursachen dafür zu hinterfragen. Er selbst scheint in den vier Tagen auf der Straße selbst an seine physischen und psychischen Grenzen gelangt zu sein und wird bei der Premiere des Films über diese Erfahrung berichten.

Premiere: „Obdachlos – 4 Tage ein ‚Penner‘“ in Anwesenheit des Regisseur Hüdaverdi Güngör | 07.01. 18.30 Uhr | Kulturzentrum August Everding, Blumenstraße 12, Bottrop |  www.facebook.com/events/344864845893177/ | Eintritt frei

Maxi Braun

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Arthur der Große

Lesen Sie dazu auch:

Vom unsichtbaren Bettler zum Menschen
Filmpremiere „Obdachlos – 4 Tage ein ‚Penner’“ am 7.1. im Kulturzentrum August Everding in Bottrop – Foyer 01/17

Leinwand-Helden des Lebens
Premiere von „Brüchige Biografien“ über bodo-Verkäufer im Metropolis-Kino – Foyer 12/16

Freundlicher Populismus
Robert Misik stellt neues Buch „Kaputtalismus“ am 22.9. im Mülheimer Ringlokschuppen vor – Spezial 09/16

Die Gespenster des Kapitalismus
Das neue Buch der taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann – Literatur 09/16

Vom Leben auf der Straße
Robert Lucas Sanatanas las am 7.9. im Medienforum Essen – Literatur 09/16

„Diese Abkommen sind undemokratisch, unsozial, unökologisch“
Alexis Passadakis von Attac über TTIP, CETA und das Klimacamp bei Köln – Spezial 08/16

Gespaltene Gesellschaft
„Talk im DKH“ mit Christoph Butterwegge und Werner Patzelt am 1.7. in Dortmund

Steuergerechtigkeit geht alle an
Wie Konzerne es schaffen, dem Staat und damit jedem Einzelnen Milliarden vorzuenthalten – THEMA 01/16 GERECHT STEUERN

„Wir verschärfen die aktuellen Krisen durch ungerechte Steuerpolitik“
Markus Meinzer, Finanz- und Steueranalyst, über Deutschlands Rolle als Steueroase – Thema 01/16 Gerecht Steuern

Selbst ist das Volk
Politik orientiert sich nicht am Gemeinwohl – THEMA 11/15 GEMEINWOHL

Es fehlt eine Gemeinwohlbilanz
Attac-Mitbegründer Christian Felber über sein Gemeinwohlökonomie-Konzept – Thema 11/15 Gemeinwohl

Zum Wohle aller
Um die Gemeinschaft zu retten, muss sie abgeschafft werden – Thema 11/15 Gemeinwohl

News.

Hier erscheint die Aufforderung!