Zum Frühlingsstart entführt die Kunsthalle in die eisige Arktis. Auch nah am Nordpol wird Kunst produziert: Auf Spitzbergen (Svalbard) leben und arbeiten Künstler, fasziniert von den extremen Bedingungen, beunruhigt vom Klimawandel. Sogar ein jährliches Performancefestival gibt es: Arctic Art. Dessen einheimischer Initiator Stein Henningsen ist neben zwei weiteren künstlerischen Positionen in Recklinghausen zu Gast.
Den Ausstellungsauftakt im Erdgeschoss bestreitet ein Performanceteam aus Oslo, Bianca Hisse und Shahrzad Malekian,mit einer zweiteiligen Videoprojektion, die eine gedankliche Verbindungslinie quer durch den ganzen Globus spannt. „Pole to Pole“ verknüpft eine Forschungsstation mit gigantischer Satellitenschüssel auf Spitzbergen mit einer ähnlich konstruierten Anlage im fernen Chile. Hisse und Malekian entwickelten eine Choreografie rund um Kommunikation und Raumerfahrung – und luden zwei chilenische Akteurinnen ein, es ihnen am anderen Ende der Welt gleichzutun. Nord und Süd verschmelzen.
Auf der ersten Etage schmilzt Eis: Lena von Goedekes Skulptur tropft von einem Wandregal und muss täglich neu in Form gegossen und gefroren werden. Für eine große Raumarbeit importierte die Bildhauerin aufwendig original Steinkohle aus der Montanregion Spitzbergen. Die Bodenfläche legte sie mit eisschollenähnlichen Gipsplatten aus und bedeckte diese mit arktischem Kohlenstaub. Wer mag, darf mit Überschuhen das knarzende, staubige schwarze Feld betreten.
Den eindrucksvollsten Auftritt bietet der oberste Raum. Stein Henningsen zeigt Videos von seinen stärksten Outdoor-Performances, die bildgewaltig und poesievoll zugleich auf die Eislandschaft im Wandel reagieren. Mal rollt der Künstler eine riesige knallrote Kabeltrommel über die Eiswüste, entgegen der markierten Pfeilrichtung. Mal wandelt er über Schnee, ohne Fußspuren zu hinterlassen. Oder er rudert ein brennendes Boot vor imposanter Gletscherkulisse über die aufgetauten Wasserflächen. Eine kleine Videoskulptur zeigt Henningsen in einem bauchigen Röhren-TV-Gerät wie in einer Schneekugel gefangen – in schrillblau geblümtem Anzug auf einer treibenden Eisscholle. Etwas ratlos, wie aus Raum und Zeit gefallen. Bald könnte ihm das Wasser bis zum Halse stehen.
Precarious Mountains – Zeitgenössische Positionen zu Svalbard | bis 10.4. | Kunsthalle Recklinghausen | 02361 50 19 35
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