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Moderator Christian Rabhansl, Tobias Ginsburg und Liane Bednarz
Foto: Nina Hensch

Rechte Aussteiger

17. Mai 2018

Zwei Buch-Autoren diskutierten am 15.5. in der DLF-Lesart über Reichsbürger und radikale Christen – Literatur 05/18

Bis hin zur Bar sind alle Bistro-Stühle der Deutschlandfunk Lesart ‚Wer sind die Rechten? Ein Blick hinter die Kulissen’ besetzt. Von dort, wo ich jetzt im kleinen Saal des Grillo Theaters in Essen stehe, kann ich nur noch die Stimmen der Talk-Gäste vernehmen. Auf dem Podium sitzen Liane Bednarz, Publizistin und Juristin, und Tobias Ginsburg, Theaterregisseur und Autor zusammen mit Jens Dirksen, Kulturchef der WAZ. Christian Rabhansl vom DLF Kultur moderiert die Runde. Diskutiert wird zu den Büchern ‚Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirche unterwandern‘ und ‚Die Reise ins Reich. Unter Reichsbürgern‘.

Christian Rabhansl fragt: „Was passiert, wenn Leute sich selbst Ausweise drucken?“ Reichsbürger glauben, Deutschland werde von einem Netzwerk gesteuert und kontrolliert. Die Verfassung sei ungültig; sie orientieren sich am Deutschen Reich, entweder in den Grenzen des Deutschen Kaiserreiches oder jenen von 1937. „Das sind Menschen, die sich von Rechten gelöst haben“, postuliert Liane Bednarz. Für rechte Christen gelte das insofern auch, als dass sie Dinge kategorisch verbieten wollten und sich damit antipluralistisch zur Gesellschaft verhalten, führt sie fort.

Abtreibung abzulehnen, mache das aus Christen bereits rechte Christen?, will der Moderator wissen. Die Juristin sieht das nicht so, da gegen Abtreibung zu sein für sie nicht per se rechts bedeutet. Sie sehe besonders kritisch „wo religiöse Haltungen in einer aktivierenden Bevölkerungspolitik münden“, wie es die AfD versuche. Hier sei es auf einmal entscheidend, ob ein abgetriebener Fötus ein deutsches oder ausländisches Kind geworden wäre. Bednarz mutmaßt, dass sie damit final Einfluss auf künftige demographische Entwicklungen nehmen wollen.

Auf die Frage Rabhansls, ob die Kirchen gegenüber den Rechten eine klare Grenze ziehen, äußert Bednarz: „Gegenüber AfD und Pegida, ja. In Bezug auf rechte Christen, nein.“ Sie schildert das Dilemma, indem die Kirchen derzeit steckten: Rechte Christen füllten schlichtweg Kirchenbänke. Das wirkt dem Mitgliederschwund entgegen. Rund 350.000 Menschen haben 2016 den großen Kirchen, also der katholischen und evangelischen, den Rücken gekehrt.

Christian Rabhansl wendet sich an Ginsburg: „Sie haben mit jemandem gesprochen, der an das Königreich Deutschland glaubt, sein Hab und Gut verkauft oder in Gold umgewandelt hat und von seiner Frau verlassen wurde. Womit kann man ihm helfen?“ „Mit Polizei oder Psychiatrie“ formuliert es der Theaterregisseur drastisch. „Reichsbürger gehen davon aus: ‚Das ist die Diktatur und ich bin im Widerstand‘ “.

Was habe ihn motiviert, in diese Szene rein zu gehen, mit Reichsbürgern so extremer Biografien, will Rabhansl von Ginsburg wissen. Der Autor, der sich in Wittenberg eingeschleust hat, unter einem Pseudonym, hat sich oft die Frage gestellt, ob es einen Punkt gäbe, an dem es bei dem Einzelnen gekippt sei. Neun Monate lang betrieb er Wallraff-Journalismus in der Reichsbürger-Szene. Daraus ist nun sein Buch entstanden.

„Gibt es Verführte und Verführer?“ fragt sich der Moderator. „Es gibt einfach sehr viele Menschen, die es glauben wollen.“ Ginsburg hat sich auch mit einem rechtsradikalen Publizisten auf ein Bier getroffen, um zu sehen wie weit der Glaube geht.

„Das, was sie erleben, ist ehrlich empfunden“, beschreibt es auch Bednarz für die rechten Christen. Gender-Wahn, Homosexualität, Medien: Das sind ihre Feindbilder. „Sie empfinden sich als unterdrückt vom gesellschaftlichen Mainstream“, so Bednarz. Ihr strenger Glaube schlage sich auch politisch nieder. In der Abtreibungsdebatte hätten viele Christen mit der CDU gefremdelt. Sie sind der Auffassung ‚wir sagen, was alle anderen denken‘. Komisch nur, dass sich das bei den Wahlen nicht zeige, so Bednarz kritisch. „Mit ihrer Haltung sind sie nicht mehrheitsfähig.“

Während Ginsburg sehr harte Worte für die Menschen findet, die er unter den Reichsbürgern kennen gelernt hat, wirkt Bednarz kontrolliert und vermittelnd, zieht aber eine klare Grenze zu rechtsradikalem Gedankengut. Sie glaubt, man müsse im Austausch bleiben. Nur so könne man etwas bewegen.

Am 19.05. um 11.05 Uhr ist die Talk-Runde in voller Länge zu hören beim DLF Kultur.

Nina Hensch

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