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Einsame Wölfe: Florian Hartleb über rechten Terror
Foto: Benjamin Trilling

Virtuelle Radikalisierung

22. März 2019

„Einsame Wölfe“ mit Florian Hartleb am 21.3. im Correctiv-Buchladen Essen – Literatur 03/19

Amokläufer, Mobbingopfer, psychisch krank – Behörden und Medien packen oft solche Begriffe aus, wenn es um rassistische Terroranschläge geht. Dabei machen die Täter (fast ausschließlich männlich) gar keinen Hehl daraus, was sie zur Tötung motivierte: in Internetforen oder gar Manifesten verbreiten sie ihre rassistische Gesinnung. Bevor sie ihre Ideologie bewaffnet in die Tat umsetzen.

Und doch wird immer wieder – wie zuletzt nach dem Anschlag in Essen und Bottrop, als ein Rechtsextremist mit einem PKW gezielt auf PassantInnen zusteuerte – von einem Amoklauf gesprochen. Ein ähnliches Echo gab es auch beim Terroranschlag in München, als im Jahr 2016 ein Schüler im Einkaufzentrum um sich schoss. Auf zwei Seiten hatte er zuvor seinen Hass auf TürkInnen dargelegt. „Wenn das keine politische Tat ist, dann weiß ich nicht, was eine politische Tat sein soll“, sagt Florian Hartleb. Der gefragte Medienexperte zu Themen wie Rechtsextremismus schlägt für Täter wie diesen damals 18jährigen Schüler David S. einen anderen Begriff vor: einsame Wölfe.

Darüber hat Hartleb ein gleichnamiges Buch geschrieben, dessen wesentliche Argumentationen er an diesem Donnerstagabend im Correctiv-Buchladen vortrug. Seine Ausgangsthese über diese rechten Terroristen: „Sie schlagen alleine los, sind aber bestens vernetzt“, so Hartleb. „In unserem virtuellen Zeitalter braucht man kein Parteimitglied mehr zu sein.“

Daher fordert er ein entsprechendes Umdenken der Behörden. Doch der Verfassungsschutz lehne diesen Begriff nach wie vor ab. Dieser sei zu glorifizierend. In den USA trifft man dagegen häufiger auf die Wendung des „Lone Wolf“. Dort beziehen sich faschistische Terroristen gerne auf die Turner-Tagebücher, die einen führerlosen Widerstand propagieren. Das Internet macht das möglich: „80 Prozent des Lebens solcher Menschen spielt sich im Internet ab“, sagt Hartleb. Digitale Plattformen wie der „Anti-Refugee-Club“, wo auch David S. Aktiv war, laden zum Gesinnungsaustausch ein.

Doch der Boden, auf den diese virtuelle Radikalisierung fällt, ist real: Tausende sogenannter Reichsbürger, die sich vernetzen; rechtspopulistische Parteien, die europaweit in die Parlamente einziehen oder ein Flüchtlingsdiskurs, der auch aus der Mitte rassistisch bedient wird. „Die Täter sind Kinder unserer Zeit“, sagt Hartleb. „Das heißt, sie sind in einen gesellschaftlichen Kontext eingebunden.“

Ein Klima, dass regelmäßig für Terroranschläge sorge. Zuletzt etwa im neuseeländischen Christchurch, wo ein Attentäter mit einem Sturmgewehr in zwei Moscheen 50 Menschen erschoss. Zwei Tage ging der Anschlag durch die Medien. Während die jüngste, rassistische Tat in der Bundesrepublik bereits vergessen zu sein scheint, so Hartleb: „Offenbar hat die Geschichte in Bottrop und Essen keinen Nachrichtenwert mehr.“ Dabei liegt sie erst knapp zwei Monate zurück.

Benjamin Trilling

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