Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.558 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Zwei Mann in einem Boot: „Somewhere in Tonga“
Foto: Kinofest Lünen/ZDF

Eine Insel für die Resozialisierung

30. November 2017

28. Kinofest Lünen mit den Gewinnerfilmen am 29.11. in der Cineworld Lünen – Foyer 11/17

Alle redeten sie über das Ende des diesjährigen Lüdia-Preisträgers. Barbara Höpping etwa, die durch diesen Abend moderierte, an dem die Gewinner des 28. Kinofestes Lünen gezeigt wurden. Schon die Jury um Hans W. Geißendörfer äußerte sich irritiert über die finale Sequenz, als sie „Somewhere in Tonga“ sichtete. „Toller Film, aber scheiß Ende“, so das Resümee. Das erzählt zumindest die Festival-Moderatorin jetzt im Kinosaal. Und auch mit dem Regisseur selbst sprach Höpping zuvor darüber. Denn Regisseur Florian Schewe griff mit seinem Streifen eine reale Begebenheit auf, nahm sich aber künstlerische Freiheiten heraus – vor allem beim Schluss. „Die Realität ist wesentlich freundlicher“, verrät Höpping die Erkenntnisse, die sie aus dem Gespräch mit dem Filmemacher zog. Und sie fragte auch das Publikum im ordentlich gefüllten Kinosaal 2 der Cineworld: „Was sagen Sie zum Schluss?“ Und es schwieg. Lange. Vielleicht weil es sich so berührt oder noch noch überrumpelt fühlte? Von diesem Schluss.

Daher erst mal der Reihe nach. „Somewhere in Tonga“ wurde am Sonntag nach vier Festivaltagen und etlichen Filmvorführungen als Doppelpreisträger sowohl mit dem mit 10.000 Euro dotierten Publikumspreis LÜDIA als auch mit dem Schülerfilmpreis 16+ gekürt. Ein Film, der zunächst gar nicht so unkonventionell ins Rollen kommt: In Berlin: der Sozialarbeiter Wolski (Sascha Alexander Geršak) soll sich des 16-jährigen Marcel (Luis Pintsch) annehmen. Ein schwieriger Fall: vorbestraft, drogenabhängig und seinen vorigen Betreuer hat der Jugendliche im Rausch niedergestochen. Doch beim unkonventionellen wie bärbeißigen Wolski prallt der aufmüpfige Marcel ab. Dass der Sozialpädagoge selbst nur knapp einer Gefängnisstrafe entging, das erfährt man erst später in einem vertraulichen Dialog zwischen den beiden. Da befinden sie sich schon längst auf einer einsamen Insel. Denn Wolski stellt seinen Klienten vor die Wahl: Südsee oder Knast?

Hier, auf der unbewohnten Insel im südpazifischen Tonga will der Sozialarbeiter ein Resozialisierungsprojekt für Jugendliche ins Leben rufen. Selbstverständlich wehrt sich Marcel gegen das geplante Vorhaben, eckt mit Bewohnern an, bis es auch zu einem Zwischenfall kommt.

„Somewhere in Tonga“ ist ein Sozialdrama vor postkarten-idyllischer Kulisse, in der Fragen nach Vergebung und einer zweiten Chance gestellt werden. Wenn der widerspenstige Marcel, der ohne Familie aufwuchs, schließlich auftaut und Vertrauen an diese Vaterfigur Wolski fasst, greift diese Robinsonade Coming-of-Age-Muster auf, die nicht unkonventionell sind. Umso überraschender schließlich der Schluss.

Bei aller Diskussion darüber ging fast unter, wie bewegend auch der zweite Preisträger ist, der an diesem Abend gezeigt wurde: „Watu Wote – All of us“, geehrt mit dem Publikumspreise in den Kurzfilmwettbewerben und zuvor bereits mit dem Studierenden-Oscar ausgezeichnet. Der deutsch-kenianische Kurzfilm von Katja Benrath greift ebenso eine wahre Begebenheit auf. Am 21. Dezember 2015 wird an der Grenze zwischen Kenia und Somalia ein Reisebus von islamistischen Milizen überfallen, die es auf die christlichen Passagiere abgezielt haben. Benrath schildert diesen Vorfall aus der Perspektive einer jungen, allein reisenden Christin, die sich fremd in diesem Bus voller Muslime fühlt. Eine Parabel über Mut und Toleranz angesichts von Fanatismus. Und auch hier gibt es ein bewegendes Ende. Und schließlich entwickelte sich nach den Vorführungen auch noch eine kleine Diskussion im Publikum.

Der Berndt-Media-Preis für den besten Filmtitel ging in diesem Jahr an „Zwei im falschen Film“.

Benjamin Trilling

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Arthur der Große

Lesen Sie dazu auch:

Fair Play im Gefängnis
Kultur@Gefängnis zeigt die Dokumentation „Fighter“ in der JVA Werl – Foyer 11/17

Politik und Unterhaltung
28. Kinofest Lünen ab 23. November in der Cineworld – Festival 11/17

Festival im Festival
Kinofest Lünen zeigt Gewinnerfilme auf Berlinale – Festival 02/17

Preisgekrönter Film sucht Kino
Rückblick auf das 27. Kinofest Lünen – Festival 12/16

And the Lüdia goes to...
27. Kinofest Lünen vom 10. bis zum 13.11. in der Cineworld – Festival 11/16

Metropolregion Kino
Lichtspieltheater, die Kultur schaffen – Vorspann 11/16

Auf ein Neues: Lünen wieder Filmstadt
27. Kinofest Lünen vom 10. bis 13.11. – Festival 11/16

„Der Filmtitel-Preis ist eine sensationelle Idee“
Wieder viele Prämierungen beim Kinofest Lünen 2015 – 15 Jahre Berndt-Media-Preis – Festival 01/16

Von Wald und Wahnsinn
26. Kinofest Lünen zeigt, was deutsches Kino kann – Foyer 12/15

„4 Könige“ erobern die Herzen
Theresa von Eltz' Spielfilmdebüt begeistert beim 26. Kinofest Lünen – Festival 11/15

Bukowski im Pott
Auftaktlesung des Kinofests Lünen mit Martin Brambach und Christine Sommer – Festival 11/15

Filmprominenz beim Kinofest Lünen
Katja Riemann, Peter Kurth und andere Gäste beim Kinofest Lünen – 12.-15.11

Foyer.

Hier erscheint die Aufforderung!