Ob Multiplexfilmpalast der 90er Jahre, Schachtelkino der 80er Jahre, ehrwürdiges Premierenhaus der 50er Jahre, Autokino oder Bahnhofskino – das Ruhrgebiet ist nicht nur Kulturhauptstadt, sondern auch Kinohauptstadt. Mit seinen zahlreichen Lichtspielhäusern weist es eine einzigartige Kinodichte und Kinovielfalt aus. Allein zwischen Duisburg, Mülheim, Oberhausen, Essen, Bochum und Dortmund liegen etwa 28 Kinos aus 90 Jahren Kinogeschichte. Es sind Kinos, die nicht nur Filmkunst abbilden, sondern zugleich auch selber kulturschaffend sind: durch die zahlreichen Filmfestivals im Jahr, die sie ausrichten. Darunter sind Filmfestivals mit gesellschaftspolitischem Anspruch, wie das Internationale Frauenfilmfestival in Dortmund mit feministischem Schwerpunkt oder aber das Filmfest homochrom, das erst bis vor ein paar Tagen mit seinem Programm queerer Filme in der Dortmunder Schauburg gastierte. Es sind gleichzeitig aber auch Filmfestivals, die sich dem Kulturraum einzelner Nationalitäten oder Ethnien verschreiben: Festival der russischen Kultur, Türkisches Filmfest, Kurdisches… – zu viele um sie alle zu benennen.
Eigens der November ist voll von Festivals, die zum Teil von den Kinos selbst initiiert werden. So die Duisburger Filmwoche, die zwischen dem 7. und dem 13. November im Filmforum ihren 40. Geburtstag feiert. Unter dem Motto „Es ist Zeit“ präsentiert das Programm rund 25 deutschsprachige Dokumentarfilme, und inmitten dieser das „doxs!“ mit einem Dokumentarfilmprogramm für Kinder und Jugendliche. Doch was die Duisburger Filmwoche zeigt, ist mehr als die konventionellen Dokumentarfilme, die wir aus dem Fernsehen kennen. Es sind auch Mischformen, Filme die sich zwischen dem Fiktionalen, dem Dokumentarischen oder aber dem poetisch-persönlich Essayistischen bewegen und unseren Blick auf den Film weiten. Auch der Provokateur Ulrich Seidl ist dabei. Mit „Safari“ portraitiert er den Jagdtourismus in Afrika: Minutenlange Einstellungen des Todes einer Giraffe – mit seinen Filmen, die wie Dokumentationen eines Schauspiels anmuten, geht der Extremfilmer dahin, wo es weh tut, direkt und authentisch.
Doch auch die Multiplexe richten Filmfeste aus. Kurz darauf startet am aller-östlichsten Rand des Ruhrgebiets wieder das Kinofest Lünen in der Cineworld. Vom 10. bis zum 13. November präsentiert das Festival mit vielen Gästen aus der Filmbranche die aktuellen deutschen Dokumentar- und Spielfilme. Lokale Färbung hingegen sollen die Filme des Ruhrgebiets beim 24. Blicke Filmfestival im Bochumer Endstation Kino haben. Von der Doku über den gemeinen Spielfilm bis zum Experimentalfilm und der Medienkunst, steht vom 23. bis zum 27. November wieder die ganze Vielfalt des Films im Mittelpunkt des Endstation Kinos. Und im Anschluss an Blicke geht es in der Nachbarstadt Essen direkt weiter. Vom 27. November bis zum 1. Dezember gastiert das 13. Russische Filmfestival in der Essener Lichtburg und im Astra. Hier gilt es den russischen Film zu entdecken, der an allen Abenden Premiere feiert. Metropolregion Kino also, die nicht nur Filmkunst abbildet, sondern auch Kultur schafft. Kultur und Kino, das es immer wieder aufs Neue zu entdecken gilt.
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