Mit Unwetterwarnungen kennt sich das Team des Dortmunder Festivals Juicy Beats bereits aus: Wer im Deutschland Open Air-Events organisiert, ist sich dieses Risikos sehr bewusst. Die aktuelle Corona-Pandemie stellt die Festivalmacher vor gänzlich neue Herausforderungen – und plötzlich erweist sich die Location unter freiem Himmel als Chance, zumindest in einem überschaubaren Rahmen wieder Live-Musik bieten zu können. Während andernorts Konzerte vor hupenden und blinkenden Autos gespielt werden, wo die Zuschauer durch die Blechummantelung vor dem Virus geschützt, aber auch von einer wahren Konzertatmosphäre abgekapselt werden, versucht man es in Dortmund mit einem anderen Konzept: In Zusammenarbeit mit den Ordnungsbehörden der Stadt Dortmund und Dortmunder Kulturinstitutionen wie dem FZW oder dem domicil gibt es zwei Monate volles Programm im Westfalenpark. Dort, wo sonst vor der Mainstage des Juicy Beats Tausende Musikfreunde feiern, warten nun seit Anfang Juli 350 Stühle in coronagerechten Abständen. Geboten werden Live-Konzerte von Kasalla bis Kapelle Petra, dazu DJ-Sets, Comedy und von dienstags bis donnerstags an den Nachmittagen immer Märchenprogramm für die Kleinen.
Wer sonst um Open Air-Konzerte wegen der Dixie-Klos einen Bogen macht, horcht vielleicht auf, wenn die Hygienevorschriften dazu führen, dass es hier ausschließlich WCs mit Einzelkabinen (wobei: irgendwie sind das Dixies auch, oder?) und Desinfektionsmittelspender geben wird. Außerdem Bedienung „am Platz“ statt Warteschlangen am Bierwagen.
Ein besonderes Highlight ist in diesem Rahmen sicherlich der Auftritt von Thees Uhlmann am 29.7., den man in absehbarer Zeit kaum in solch intimem Rahmen wird sehen können. Allerdings gibt es auch hier Zugeständnisse an die aktuelle Situation. Uhlmann kommt nicht mit Band, sondern in Trio-Besetzung nach Dortmund – und statt eines schweißtreibenden Konzerts verspricht Uhlmann eine Art Kleinkunst-Abend. Wer die zuweilen ausufernden Ansagen des Nordlichts zu schätzen weiß, freut sich über die Ankündigung von „Spoken Word und gesungene Songs“, auf Auszüge aus Uhlmanns Buch über die „Toten Hosen“ ebenso wie auf Monologe, die nicht enden zu wollen scheinen. Und weil er ja doch auch Musiker dabei hat, wird sicherlich die Musik ebenfalls nicht zu kurz kommen.
Verkauft werden die Tickets nur in Zweier-Paketen. Das ist für Einzelpersonen oder Familien bzw. Gruppen mit ungerader Personenzahl ärgerlich, aber die Veranstalter haben sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. So erläutert Hanna Rose von ASS-Concerts (Veranstalter des Thees Uhlmann-Konzerts): „Der Saalplan bzw. die Anordnung der Stühle wurde so vom Betreiber des Geländes vorgegeben. Die Entscheidung, immer mindestens zwei nebeneinanderliegende Plätze in 2er-Schritten zu verkaufen, wurde wiederum von uns als Veranstalter getroffen.“ Deshalb habe man auch den Vorverkauf so eingerichtet: „Hintergrund dazu ist, dass wir den Besucher*innen nicht zumuten wollten, entgegen ihres Willens neben fremden Personen zu sitzen bzw. ihnen ermöglichen, die Kontrolle darüber zu behalten, wer unmittelbar neben ihnen sitzt. Unsere Erfahrungswerte zeigen zudem, dass Konzerte in der Regel zu zweit besucht werden und die Mehrheit der Gäste eine gerade Anzahl Tickets bucht.“ Jan Kempinski von Juicy Beats Festival ergänzt: „Wenn sich Gruppen mit bis zu zehn Personen dazu entscheiden, das Gelände zu besuchen gibt es jedoch – je nach Veranstaltung – die Option eine 10er-Lounge zu buchen. Diese ist separiert von der Reihenbestuhlung.“
Auch wenn Thees Uhlmann mit dem „Danke für die Angst“-Trio auftreten wird, sollte angesichts dieser Abstandsregeln ein sorgenfreier Musikgenuss gewährleistet sein.
Juicy Beats | Juli und August 2020 | Westfalenpark Dortmund | parksessions.juicybeats.net
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