Bianca Casidy & the C.i.A. – das ist die eine Hälfte des Geschwisterduos CocoRosie. Das Duo hat gerade mit „Heartache City“ ein Album veröffentlicht, das wieder näher an ihren Lo-Fi-Anfängen war. Bianca Casidys „Oscar Hocks“ lässt „Heartache City“ wiederum wie ein Popalbum erscheinen. Sie selbst sagt, dass sie sich solo nicht sorgen müsse, zu düster, zu gruselig oder zu verrückt zu klingen. Tatsächlich ist das Album in einem guten Sinn schaurig und erinnert dezent an eine Mischung aus Nico und Joanna Newsom (Fantasy Music). Die Villagers sind vor allem Conor O‘Brien, der nicht nur die Songs schreibt und singt, sondern auch die meisten Instrumente auf den Platten spielt. Das vierte Album „Where Have You Been All My Life?“ hat er an nur einem Tag aufgenommen. Die reduzierte, traditionelle Instrumentierung kennt man bereits vom Vorgänger. Der Klang der berührenden Songs ist weich und warm und federt die dringlichen Texte ab (Domino).
Was man nicht machen sollte: Gang of Four haben es vor zehn Jahren mit „Return a Gift“ vorgemacht und aus ihrem rohen '79er New Wave-Debüt „Entertainment“ ein Rockalbum gemacht – nicht schlimm, aber überflüssig. John Cale hat nun sein zerbrechliches, teilimprovisiertes Album „Music for a New Society“ von 1982 für das Album „M:Fans“ mit Komplexität überzogen. Immerhin hat er auch inhaltlich eine neue Perspektive auf das unter seelischer Pein entstandene „... New Society“ geworfen. Das war wohl eine emotional notwendige Revision, die aber mitunter etwas zu breitbeinig und mit seiner Elektronik mehr dated klingt als das Original (Domino). Die Compilation „Soul Sok Séga“ widmet sich einem regionalen Phänomen, das sich in der Sklavenzeit auf den afrikanischen Inseln im indischen Ozean entwickelte und in den 1960er und 70er Jahren zu einer popkulturellen Blüte fand. Die CD bildet diese Zeit mit „Séga Sounds from Mauritius 1973 – 1979“ ab und präsentiert 20 Stücke, die Funk, Soul und andere zeitgenössische Musik in den Séga integriert haben. Eine faszinierende, zugleich humorvolle und erotische Musik, die neben ihrem extrem perkussiven, tanzbaren Rhythmus auch wunderbare kreolische Gesangslinien kennt (Strut).
Kehraus zum Jahresende – dieses tolle Buch wurde irgendwie übersehen: Der britische Journalist Alex Ogg erzählt mit „California über alles“ die Geschichte der Dead Kennedys vom Anfang – also wie das Punktrio zusammen kam – bis zur Veröffentlichung des ersten Albums und der anschließenden Tour. Dafür hat er sich nicht nur durch Materialberge – Texte, Bilder, Memorabilia – gewühlt, sondern auch zahlreiche Interviews mit Wegbegleitern und natürlich den Bandmitgliedern geführt. Letzteres wurde dadurch erschwert, dass sich nach jahrelangen juristischen Streitereien ein Riss zwischen Sänger Jello Biafra und den Gitarristen und Bassisten East Bay Ray und Klaus Flouride gezogen hat, der dem Ansehen der 1986 aufgelösten Band nachhaltig geschadet hat. Denn an sich ist ihre Leistung, und das stellt Ogg detailliert dar, nicht zu überschätzen: Als Punk bereits Ende der 70er zerfleddert am Boden lag, packten DK brennende Themen mit einer frischen Mischung aus Scharfsinnigkeit, Biss und Humor an und hüllten sie in einen gellen, aggressiven Sound. Mit ihrem Erfolg ebneten sie dem Ami-Hardcore der frühen 80er Jahre den Weg. Das Buch ist reich bebildert und veranschaulicht so auch die performativen Qualitäten der Band und ihres charismatischen Sängers (Ventil).
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