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Ludwiggalerie
Foto:Thomas Wolf

„In den Fotografien wurde die Frauenwelt thematisiert“

28. Mai 2014

Die Ludwiggalerie in Oberhausen widmet Eve Arnold eine umfassende Retrospektive – Sammlung 06/14

Eve Arnold (1912-2012) gehört zu den wichtigsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Bilder erschienen in den großen Foto- und Modemagazinen. Ende der 40er Jahre beginnt sie ihre fotografische Karriere als Autodidaktin mit einer Rolleicord-Kamera und tritt 1957 – als eine der ersten Frauen – der legendären Fotoagentur Magnum bei. Berühmt wird sie mit ihren ungewöhnlichen Modeaufnahmen in Harlem oder ihren politischen Reportagen. Aber auch die feinfühligen Beobachtungen gerade beginnenden Lebens und die Fotografien ihrer Reisen nach Afghanistan, China und Indien beweisen ihre singuläre und zutiefst humanistische Bildsprache. trailer sprach mit der Kuratorin Julia Austermann.

trailer: Gibt es einen weiblichen Blick auf die Welt?

Julia Austermann: Ja, natürlich. Ganz klar auch bei Eve Arnold:In den Fotografien wurde die Frauenwelt thematisiert, wie bei den Starportraits von Marlene Dietrich, Marilyn Monroe oder Joan Crawford.

Julia Austermann
Foto:Hans-Joachim Markgraf

Julia Austermann, geboren in Bad Neuenahr-Ahrweiler, 2006-09 Studium der Medienwissenschaft an der Uni Siegen, danach bis 2011 M.A. Medienkultur, Mediengeschichte, Visuelle Kultur, Gender Studies. 2012 Studienaufenthalt am Collegium Civitas in Warschau sowie Mitarbeit in der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und Lehrbeauftragte für Medienwissenschaft an der Uni Siegen. Seit 2013 wissenschaftliche Volontärin in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen.

Eve Arnold war die erste weibliche Position der Fotografiegeschichte – was machte sie 1951 für Magnum technisch so interessant?

Ihre Harlem Reportage markiert ja den Beginn bei Magnum. Das Besondere war, dass Eve Arnold damals, also zur Zeit der Rassentrennung in den USA, hingeht und die Models im schwarzen Harlem fotografiert. Dazu fotografiert sie aber nicht nur die Modenschauen, sondern zeigt immer auch den Blick hinter die Kulissen, in die Garderobe, in die Anprobe. Ihre Bilder hatten dokumentarischen Charakter und setzten sich so ganz deutlich von den inszenierten, retuschierten Studioaufnahmen der Modebranche ab.

Hat ihre damalige Ästhetik die Fotografie selbst verändert?

In jedem Fall. „Das Portrait in Aktion“ ist ein Begriff, den Alexei Brodovitsch, Art Director der Modezeitschrift Harper's Bazaar, damals für ihre Portraitaufnahmen prägte. Das fängt schon mit den Aufnahmen von Marlene Dietrich 1952 in den Studios von Columbia Records an, wo Dietrich die Songs einsingt, die sie bereits für die alliierten Truppen gesungen hat. Eve Arnold fotografiert die Dietrich immer wieder während der Aufnahmen beim Singen, aber auch in den Pausen, wenn sie raucht und sich ausruht. Damit hat sie in der Portraitfotografie einen Paradigmenwechsel hervorgerufen.

Sie hat dann auch den Blick der Europäer auf weit entfernte Länder verändert.

In jedem Fall. Sie gehört mit anderen Magnumfotografen zu einer der ersten Fotoreporterinnen, die nach der Kulturrevolution mit dem Beginn der Reform und Öffnungspolitik unterDeng Xiaoping 1979 nach China reist. Diese Reise dauerte mehrere Monate. Eve Arnold bereist nicht nur die großen Städte wie Shanghai und Peking, sondern auch entlegenere Gegenden und lebt auch mit einer Viehhirtenfamilie in der Inneren Mongolei zusammen. Sie zeigt so einen Querschnitt der damaligen chinesischen Gesellschaft.

Aber sie war keine Kriegsreporterin?

Nein, das war Eve Arnold nicht. Man muss auch sagen, wenn man einen Vergleich anstellt zu RobertCapa, dem damaligen Kriegsreporter schlechthin: Bei ihr ist weniger die physische Nähe von Bedeutung, sondern vor allen Dingen die emotionale, die emphatische Ebene, mit der sie sich Menschen annähert und sie fotografiert.

Wie schafft man eine Dramaturgie für 100 Fotografien?

In der Ausstellung sind es einfach die drei Themen, mit denen Eve Arnold verbunden ist, die Reisefotografie, die politische Reportage; sie hat ja auch viele Politiker, unter anderen Malcolm X, den schwarzen Bürgerrechtler in den 60er Jahren, fotografiert, und eben die so genannten Portraits in Aktion. Die Retrospektive ist so aufgebaut, dass sie mit den frühen Aufnahmen aus den 50er Jahren beginnt. Wie viele Fotografen der Zeit, hat sie in New York auch den Times Square fotografiert, aber eben auch in Harlem. Relativ früh fängt sie an, Standfotografien an den Filmsets zu machen. Das zieht sich bis zu den Reiseberichten – so bereist sie 1969 auch Afghanistan und die Emirate für ihre Reportage „Hinter dem Schleier“. Wir können glücklicherweise auch viele historische Magazine und Bildillustrationen zeigen, denn bei uns in der Ludwiggalerie ist es immer wichtig, dass wir den angewandten Bereich von Fotografie deutlich machen. Da haben wir beispielsweise die Marlene-Reportage in Esquire 1952, wodurch die Besucher einen schönen Einblick bekommen, wie die Reportagen tatsächlich erschienen sind.

Ist Eve Arnold dann auch noch auf die digitale Fotografie umgesprungen?

Am Schluss natürlich, und das ist auch das Interessante bei ihr. Sie hat angefangen mit der Rollei und später, vor allem in den 60er Jahren, mit verschiedenen Nikon-Modellen gearbeitet. In den 90er Jahren hat sie auch digital fotografiert.

Und hat sie auch die moderne Bildbearbeitung der Generation Photoshop noch mitgemacht oder war ihr das zuwider?

Grundsätzlich kann man sagen: Retusche und Bearbeitung, das war nicht Eve Arnold.

Eve Arnold (1912-2012) | bis 7.9. | Ludwiggalerie, Schloss Oberhausen | 0208 412 49 28

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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