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German Wiener über den Film in Cuba
Foto: Lisa Mertens

Hinter dem großen Teich

15. Juli 2012

„Cine cubano“ im Endstation Bochum - Foyer 07/12

Bochum, 31.05. - Das diesjährige cine cubano, eine Kooperation zwischen dem Bahnhof Langendreer, der Humanitären CubaHilfe und dem Fesival „Cuba im Film in Frankfurt, schloss mit einem Potpourri aus acht Abschlussarbeiten junger Filmschaffender der cubanischen Filmschulen EICTV und Muestra Joven ICAIC.

Trotz oder auch wegen des ungewöhnlichen Programms fanden sich an diesem Abend zahlreiche Zuschauer im Kinosaal ein, die über die gebotenen Kurzfilme, von narrativ bis experimentell, einen Blick auf eine unbekannte aber kreative Filmwelt werfen konnten. German Wiener, Dozent für Film und Kamera in Dortmund wie auch auf Cuba, konnte im anschließenden Gespräch aufgrund seiner Erfahrungen einen noch tiefer gehenden Blick auf das Filmschaffen der Insel gewähren. Er selbst ist in Mittel- und Südamerika tief verwurzelt. In Argentinien aufgewachsen, hat er trotz seiner deutschen Staatsbürgerschaft und seines Lebens in Deutschland nie aufgehört Südamerikaner zu sein. An der cubanischen Filmschule EICTV arbeitet er seit mehreren Jahren und schätzt das Klima dieser besonderen Schule sehr.

In den 80ern einigten sich Filmemacher darauf, dass die damals noch so genannte „Dritte Welt“ einen Filmschub benötigte. Der kolumbianische Nobelpreisträger Gabriel García Márquez trieb die Idee voran, Fidel Castro war begeistert von der Idee einer Filmschule in der Nähe von Havanna. Und so entstand 1986 die errste internationale Filmschule. Diese Schule war für die Bürger der Dritte Welt-Länder offen und zudem umsonst, da sie durch staatliche mittel finanziert wurde. Erst nach dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch der „Zweiten Welt“ wurden Geühren erhoben, da sich die Finanzierung der Schule nun schwieriger gestaltete. Dennoch hält der Zuspruch und die Bewerberzahl aus allen Ländern an, da die Gebühr bis heute vergleichsweise günstig ist. Jedoch bedauert German Wiener, dass die Bewerber mittlerweile weniger aus den ehemaligen Dritte Welt-ländern kämen und hofft darauf, dass der Versuch zum Grundgedanken zurückzukehren Erfolg haben wird. Den größten Teil der jungen Filmstudierenden machen die Argentinier aus. Wer den Campus der Schule besuche, fühle sich stark an den Flair von Buenos Aires erinnert. Insgesamt jedoch sei der Mix der Kulturen sehr bunt. Einige wenige US-Amerikaner studieren zusammen mit Kubanern, die ihrerseits auch erst die Berührungsängste mit der Internationalen Schule überwinden mussten. Dieser Mix of Cultures sei sehr fruchtbar, nur ab und an furchtbar. Über alles müsse diskutiert werden. Jedoch seien die Ergebnisse aufgrund dieser teilweise Nerven zerreibenden Diskussionskultur vielversprechend.

Auch die Struktur des Studiums weise einige Besonderheiten auf: So seien keine festen Dozenten an der Filmschule angestellt, sondern ausschließlich aktive Filmschaffende, die für einen begrenzten Zeitraum dort unterrichten. Diese gesunde Fluktuation von Lehrenden sorge für einen stets aktuellen Unterricht. Ab und an schauen auch bekannte Filmemacher vorbei wie z.B. Robert Redford. Die Studierenden selbst erhalten im ersten Studiengang Einblicke in alle sechs Fachrichtungen des Filmwesens, in denen sie auch jeweils eine Aufgabe übernehmen müssen. Im zweiten Jahr spezialisiere sich jeder und im dritten Jahr finden die Abschlussarbeiten statt. Die vier ersten Arbeiten der gezeigten Kurzfilmrolle waren eben solche Abschlussarbeiten, teilweise auch von seinen Schülern. Die Abschlussarbeiten sind Teamwork, die Aufgaben sind auf die Spezialisten verteilt. Das führe auch dazu, dass die Filmschaffenden auch nach ihrem Studium häufig eng zusammenarbeiten. Man kenne sich, es seien Netzwerke entstanden. Ob unter den Absolventen der Filmschule auch Bekannte seien, wollte eine Zuschauerin wissen. Bekannt seien sie zugegebenermaßen meistens nur in Südamerika, wo sie nach ihrem Studium aber auch hauptsächlich aktiv seien. Und welche Rolle spielen die politischen Verhältnisse auf Kuba? Zensur habe er nicht erlebt, so German Wiener. Diskussion habe es lediglich bei einem Kurzfilm mit Prostituierten gegeben. Gezeigt worden sei er dennoch. Was sich vielmehr auf das Filmwesen auswirke sei das Wirtschaftsembargo. So sei es kaum noch möglich, 16mm- oder 35mm-Filme zu entwickeln, da die Ersatzteile fehlen würden und auch nicht zu beschaffen seien. Aber mit dem Sterben der 16 Milimeter bzw. 35 Milimeter steht Kuba ja nicht alleine da…

Lisa Mertens

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