Paranormalität hat nicht unmittelbar etwas mit knarrenden Treppenstufen oder jaulenden Geräuschen bei Sturm zu tun. Paranormalität ist so allgegenwärtig wie UFOs, wenn man den Kern oder die Ursachen wertungsfrei betrachtet. In Freiburg gibt es ein (zugegeben oft belächeltes) Institut für Grenzgebiete der Psychologie, das sich mit solchen Phänomenen beschäftigt und ihre Ergebnisse in einem „Psi-Report“ veröffentlicht.
Derart theoretisch ausgerüstet geht das Museum Morsbroich in Leverkusen in seiner aktuellen Ausstellung „Zeitgespenster“ diesen Spuren nach, und so spukt es beileibe nicht nur nachts im barocken Schloss mit dem kostbaren Kronleuchter im Spiegelsaal. Dort findet der Besucher an einer Säule die Aufforderung, mal so richtig zu schreien, und das auch noch so laut, wie man nur kann. Das kostet natürlich reichlich Überwindung, besonders dann, wenn man sich sowieso nicht unbeobachtet fühlt. Wer es aber schafft, den hat der Konzeptkünstler Werner Reiterer in der Schlinge. Das Licht wird duster, in den Ecken keucht es, dass es eine Lust ist. Wer jetzt noch tapfer ist, der wandert weiter. Und wer jemals „Poltergeist“ gesehen hat, wird die Grundidee aus Steven Spielbergs Drehbuch beim Berliner Künstler Björn Melhus wiederentdecken. Auch er sieht die Mattscheibe als Durchgangsspiegel fremder Welten in einem vieldimensionalen Universum. Im Video erscheint er schwarz-weiß, real farbig – okay, man erinnert sich gern wieder an das schwarz-weiße Flimmern aus den 1980ern, hinter dem das Böse lauerte.
Eine Geisterbahn ist die Ausstellung natürlich nicht. Gerade das Übernatürliche will Kurator Fritz Emslander zeigen, das in der zeitgenössischen Kultur immer neue Sphären belegt und damit auch der Reflexion gesellschaftlicher und kultureller Phänomene dient, die häufig das Unerklärliche in Bereiche abschiebt, die einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht mehr standhalten können. Die sogenannte vieldimensionale Welt hat durch die immer weiter fortschreitende Implementierung von Virtualität ins reale Leben einen Punkt erreicht, die der kritischen Betrachtung bedarf, gerade wenn technische Medien immer noch zu „magischen Kanälen“ (Marshall McLuhan) werden.
„Zeitgespenster“ | bis 6.1. | Museum Morsbroich, Leverkusen | 0214 85 55 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Öffentliche Orte
Mischa Kuball in Leverkusen und Marl – Kunst in NRW 01/22
Fremde Räume
Simon Schuberts „Schattenreich“ in Leverkusen – Kunst in NRW 02/20
Freude am Einrichten
„Interieur als Porträt“ in Leverkusen – Kunst in NRW 03/16
In allen Satteln zu Hause
Hans Salentin in Mülheim und Leverkusen – Kunst in NRW 08/13
Skulptur der Gegenwart
Ausstellungen in Leverkusen, Remagen und Herford - Kunst in NRW 08/11
Schütten statt Pinseln
Helen Frankenthaler im Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/23
Neues im Quadrat
Josef Albers in Bottrop – Ruhrkunst 12/22
Bilder des Glücks
„Entdecke Minhwa“ im LSI Bochum – Ruhrkunst 11/22
Junge Schwarze Formensprache
Dozie Kanu im Neuen Essener Kunstverein – Ruhrkunst 11/22
Kulissen und Kojoten
Ian Page im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 10/22
Avantgardistische Bauten
Irmel Kamp und Andreas Rost im Baukunstarchiv – Ruhrkunst 09/22
In Bildwelten tauchen
Fotosammlung Museum Ostwall trifft junge Fotobuch-Kunst – Ruhrkunst 08/22
Der Charme des Unbeständigen
„Blade Memory II“ im Dortmunder Kunstverein – Ruhrkunst 07/22
Durch die Blume
„Flowers!“ in der Kunst ab 1900 im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/22
Nackte Mannsbilder
„Eros in Erwartung der Ewigkeit“in Duisburg – Ruhrkunst 05/22
Auf Fuchs’ Fährte
Fabian Reimann im Kunstverein Ruhr – Ruhrkunst 04/22
Wetten auf die Zukunft
Videoinstallation „Slow Violence“ in Bochums Zeche Hannover – Ruhrkunst 04/22
Impressionistische Meisterwerke
„Renoir, Monet, Gauguin“ im Museum Folkwang – Ruhrkunst 03/22
Rot im Silberspiegel
Rita Rohlfing im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 02/22
Vom Zeigen und Verschwinden
Sieben Künstlerinnen im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 01/22
Lichtblicke in Schwefelgelb
Ingeborg Lüscher im Museum unter Tage – Ruhrkunst 12/21
Bilder zur Rettung der Welt
„Das zerbrechliche Paradies“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 11/21
Natur ohne Menschen
Landschaftsfotografie im Museum unter Tage – Ruhrkunst 09/21
Winzige Welten
Friederike Klotz im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 08/21
Seltsame Bilder
„21.lettres“ im Museum Folkwang – Ruhrkunst 08/20