So viel Aufmerksamkeit wurde Hans Salentin zu Lebzeiten selten zuteil. Vielleicht liegt das jetzige Interesse daran, dass er mittlerweile als Klassiker der Avantgarde anerkannt ist, und dass seine Kunst von einer jüngeren Generation mit neuen Augen gesehen wird? Jedenfalls zeigen derzeit gleich zwei Museen in NRW Aspekte seines Werkes, zudem stellt die Galerie Schütte in Essen Papierarbeiten aus. Die Kunst von Salentin liefert genug Material für mehrere Ausstellungen, schon indem sie sehr verschieden ausfällt. Hans Salentin (1925-2009) war Bildhauer, Objektkünstler, Maler, Zeichner, Collagen-Künstler und Fotograf, der Zeit seines Lebens experimentell arbeitete und doch sehr streng, präzise vorging.
Richtig bekannt wurde Hans Salentin im Kontext der progressiven Künstlergruppe ZERO, die sich ab 1957 als lose Ideen- und Ausstellungsgemeinschaft gegründet hatte und mit ihren Beiträgen, die Technik und Natur verbinden, die Kunst reformieren wollte. Die Werke der ZERO-Kunst verzichten auf Buntfarbigkeit und jeden malerischen Gestus; sie sind ungegenständlich und bestehen bevorzugt aus den neuen „unverbrauchten“ Materialien der Industrie, aus Metallblechen. Konstitutiv sind Raster und serielle, teils mittels elektrischer Bewegung erzeugte dynamische Ordnungen, an denen sich das Licht bricht, das nun Farbe, aber auch Reinheit und Immaterialität zum Ausdruck bringt … Salentin trägt dazu mit „intermedialen“ Arbeiten bei: mit seinen weißen Dachziegelreliefs, mit den „Schlitzkästen“ aus neuen, partiell mit Abstand aufeinanderstoßenden Aluminiumwalzblechen und mit den körperhaften Wandarbeiten aus facettierten gebogenen Aluminiumblechen. Damit ist Salentin bis heute auf wesentlichen der ZERO-Ausstellungen vertreten. Selbst aber schlägt er schon Mitte der 1960er Jahre einen anderen, eigenen künstlerischen Weg ein: Er erstellt nun plastische Arbeiten aus vorgefundenen Aluminiumgussteilen, die er zu realistischen oder surreal anmutenden Gegenständen, Fahrzeugen und Apparaten kombiniert, verschraubt und verschweißt und einheitlich mit Blau oder Silber sprayt. Eines seiner zentralen Themen, das zugleich an ein Konzept der ZERO-Zeit anschließt, ist der Weltraum: Salentin konstruiert Raketen, Flugapparate und Astronauten.
Das Kunstmuseum in Mülheim an der Ruhr analysiert nun diese Werkgruppe mit herausragenden Plastiken und stellt den Zusammenhang zu ZERO her, wozu Arbeiten von Salentins Kollegen – aus dem Bestand einer Essener Privatsammlung – vertiefende Einblicke ermöglichen. Übrigens ist schon spannend zu beobachten, wie Salentin bei den doch so unterschiedlich anmutenden Werken seinen künstlerischen Prinzipien treu bleibt, dem Bauen nach den Gesetzen der Serialität, der Symmetrie und Zentrierung, der Axialität und des Orthogonalen. Grundlage dafür ist die Collage – und dieser Strategie geht nun die Ausstellung im Museum Morsbroich in Leverkusen nach. Neben „echten“ Collagen sind hier auch Zeichnungen, aber auch plastische Arbeiten ausgestellt. Zusammen umspannen die Ausstellungen in Mülheim und Leverkusen den Zeitraum von 1960 bis Anfang der 2000er Jahre. Eine seltene Gelegenheit, diesen wichtigen Künstler in seiner ganzen Breite zu entdecken.
„Im Schleudersitz durch die Galaxie. Hans Salentin, ZERO und der Weltraum“ I bis 25.8. I Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr I www.kunstmuseum-mh.de
„Hans Salentin – Collagen mit Papier und Metall“ I bis 25.8. I Museum Morsbroich, Leverkusen I www.museum-morsbroich.de
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