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Das Highlight des Abends: Die Freedes
Foto: Benjamin Knoll

Für Augen und Ohren

06. Juli 2014

Der Samstag auf der trailer-Wortschatzbühne überzeugte mit Witz und Theatralik – Festival 07/14

Der Festival-Samstag hält auch bei Bochum Total schon fast traditionell die größten Kracher parat. Auf der trailer-Wortschatzbühne war dies nicht anders. Mit Matthias Reuter und Bastian Bielendorfer hatten sich zwei echte Größen der aktuellen Kabarett- bzw. Comedy-Szene angekündigt, und mit Die Freedes schickte man eine Show-Band der etwas anderen Art ins Rennen.

Matthias Reuter kam an jenem Samstag nicht allein, sein Keyboard war wie gewohnt mit von der Partie. Schließlich ist der Oberhausener nicht nur für seine Texte, sondern auch für sein bissiges Liedgut bekannt. Das Publikum bereitete Reuter einen warmen Empfang. Es war offensichtlich, dass nicht wenige die trailer-Wortschatzbühne gezielt aufgesucht hatten und Reuter den meisten Anwesenden ein Begriff war. Kein Wunder, ist der unscheinbare junge Mann doch extrem umtriebig an Rhein und Ruhr. Nicht nur seine Kabarett-Show „Nachgewürzt“ erntete in jüngster Vergangenheit Lobeshymnen, auch seine Bücher sind bei Lesern und Kritikern beliebt.

Mit dem „NRW-Abitur-Blues“ startete Reuter in sein 30-minütiges Programm. Mit unnachahmlicher Gestik und Intonation bekam das rückwärtsgewandte Abitur als Intelligenznachweis sein Fett weg. Anschließend tauchte das Publikum ein in eine hochamüsante Fußball-Geschichte voller Skurrilitäten zwischen Autokorso, Leichenwagen und Grillparty. Spätestens jetzt klebte das Publikum an Reuters Lippen. Die anschließende Anekdote über zwei halbstarke Teens am Düsseldorfer Hauptbahnhof, die untereinander ghettoeskes Kiez-Deutsch droschen und am Telefon mit Vati ins feinste Hochdeutsch wechselten, sorgte für weitere Lachtränen. Der gewohnt starke Auftritt ging mit einer musikalischen Suche eines Fußballfans „nach dem perfekten Feind“ zu Ende.

Der anschließende Auftritt von Bastian Bielendorfer hätte eigentlich nicht schlechter starten können. Platzregen und Sturmböhen trieben die Menschen massenweise unter die Vordächer der anliegenden Kneipen. Doch überraschend viele Zuschauer trotzten dem Unwetter und wohnten dem Gig des Bestsellerautors bei. Sichtlich überrascht und gerührt vom Durchhaltevermögen der Ausharrenden startete Bielendorfer mit einem Abgesang auf seine Heimatstadt Gelsenkirchen, in der Enten die Bewohner füttern und der Intelligenzquotient in Promille gemessen wird.

In der Folge erzählte das Lehrerkind aus seinem schweren Leben. 2010 war Bielendorfer Kandidat bei der Quizsendung „Wer wird Millionär?“, bei der er seinen Vater als Telefonjoker einsetzte. Dieser war entsetzt, dass sein Sohn bereits so früh seine Hilfe in Anspruch nehmen musste, woraufhin er direkt nach Durchgabe der richtigen Antwort auflegte.

Eine symptomatische Situation. Die Kindheit als Sprössling einer Pädagogenfamilie ließ Bielendorfer eine Abneigung gegen Lehrkörper und Autoritäten entwickeln, die manche als Tourette-Syndrom, er selbst jedoch als Klaus-Kinski-Krankheit bezeichnet. Die gute Chemie zwischen Regen, Publikum und Künstler gipfelte schließlich darin, dass ein Zuschauer, um die 50 Jahre alt und mit einer Basecap mit der Aufschrift „Cocaine And Cavier“ auf dem Kopf, eine Möhre an Bielendorf verschenkte.

Nach zweistündiger Pause und Sonnenuntergang sorgten dann Die Freedes für das musikalische und visuelle Highlight des Abends. Die Band war nicht nur stark an ihren Instrumenten, sie hatte auch eine Theatergruppe dabei, die die gesamte Spielzeit über mit Tanzeinlagen und psychedelischer Kostümierung für Aufsehen sorgte. Das Besondere: Selbst wenn die Darsteller sich ins Publikum mischten, verließen sie nie ihre Rollen, sondern frönten mit ihrer Performance dem Gesamtkunstwerk.

Die Symbiose aus genreübergreifender Tanzmusik und Theater traf voll ins Schwarze und sorgte für großes Aufkommen und tanzende Beine vor der Bühne. Für die sonst so bewährten Sitzbänke war zu dieser Zeit kein Platz mehr. Ein Festival-Tag, der in besonderer Erinnerung bleiben wird.

Text/Fotos: Benjamin Knoll

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