Gerade haben Slapp Happy noch in Köln auf dem Weekend Festival eines ihrer sehr seltenen Konzerte gegeben, zudem gemeinsam mit den noisigen Krautrockern Faust, da werden zwei ihrer gesuchten Platten wiederveröffentlicht: Das Debüt „Sort of“ von 1972 wird im Original für über 1000 Euro angeboten. Kein Wunder – seinerzeit floppte das charmante Spiel mit naiven Pop-Klischees und Dagmar Krauses gewöhnungsbedürftigem hohen Gesang. Das zweite Album – wie das Debüt ursprünglich mit Faust eingespielt – erschien erst 1980 als „Acnalbasac Noom“, stattdessen veröffentlichte man 1974 eine ohne Faust komplett neu eingespielte Version von „Casablanca Moon“. Merkwürdig neben der Spur klingt ihr Pop auch heute noch und ist eine Entdeckung wert. „Spot on“ und „Acanalbasac Noom“ erscheinen auf Vinyl und erstmals auf CD (Tapete). Als Hexa liefern der Komponist Lawrence English und Jamie Stewart, der zuletzt mit seiner Band Xiu Xiu den „Twin Peaks“-Soundtrack re-arrangiert hat, einen Soundtrack zu den „Factory Photographs“ von David Lynch, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Das kann man Drones oder Dark-Ambient nennen, passend zum Thema aber auch Industrial. Einem Lynch-Film ständen die Sounds natürlich auch hervorragend zu Gesicht (Room40).
Alex Izenberg will es gleich bei seinem Debüt „Harlequin“ mit den ganz Großen aufnehmen: Seine klassizistischen Popetüden mit Streichern und Klavier erinnern gleichermaßen an Van Dyke Parks, Scott Walker oder Brian Wilson. Tatsächlich wird sein Mut von Erfolg gekrönt, denn der opulente Wurf beeindruckt (Domino). Sergio Mendoza und sein Orkesta Mendoza legen mit „Vamos a Guarachar!“ ihr zweites Album vor. Mendoza, der auch Teil von Calexico ist, hat nach langjährigen Ausflügen in die Rockmusik mit seinem Orchester wieder vollkommen zu seiner Heimatmusik aufgeschlossen, auch wenn sich der Drive des Rock’n’Roll hier immer wieder in den Mestizo-Sound aus Cumbia und Mambo einmischt. Nicht nur Joey Burns von Calexico, der das Album produziert hat, und Howe Geld sind begeistert (Glitterbeat). Das Kölner Label Le Pop beschert uns mit „La Boum“ eine neue Themen-Compilation mit Chansons bzw. dieses Mal Party-Stücken der Nouvelle scène française. 16 Stücke aus dem Programm des langjährig erfahrenen Le Pop-DJ Teams haben es auf die Platte geschafft, darunter wenige Altbekannte wie Mathieu Boogaerts (wie immer großartig), Benjamin Biolay oder Fredda mit Pasal Parisot als Radiomatic und viele Neuzugänge bzw. Neuentdeckungen
Der Kölner Technoproduzent Mathias Schaffhäuser ist ein Freigeist. Davon erzählt nicht nur der Titel seines neuen Albums, das den französischen Aufklärer „Diderot“ würdigt, sondern auch sein Verhältnis zu den Regeln der Clubkultur. Denn neben ambienten Stücken und Tracks, die eher Soundforschung betreiben als Funktionen erfüllen, spielen die Clubtracks mal songmäßig mit Gesang oder nehmen sich wie das tolle „Bye Bye“ alle Zeit der Welt um ihre eigentümliche Stimmung zu entfalten (Biotop). Voll für den Club produzieren Acid Arab. Das französische Projekt ist aus einer Partyreihe entstanden und kombiniert auf dem Album „Musique de France“ Techno mit arabischer Musik, v.a. nordafrikanischem Raï. Man fühlt sich gleich an Omar Souleyman erinnert, nur dass hier die Grundlage tatsächlich Techno ist. Vereinzelt sind die Beats etwas tumb geraten, aber meist gehen die beiden Stile eine schöne Verbindung ein, und auch Gäste wie das israelische Trio A-WA passen bestens ins Klangbild (Crammed Discs).
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