Es ist der 24. Januar 1961, als der 19-jährige Bob Dylan in Greenwich Village landet und ein kleines Zimmer anmietet. Er will Konzerte im Gaslight Cafe, der White Horse Tavern oder dem Bitter End besuchen, in Izzy Youngs Buch- und Plattenladen Folklore Center abhängen, wichtige Leute aus der Musikszene treffen. Dylan, sehr überzeigend von Timothée Chalamet gespielt, will hier auch seinem Helden, dem linken Folksänger Woody Guthrie (Scoot McNairy), die Ehre erweisen – der liegt schwer krank in einem nahegelegenen Krankenhaus. An Guthries Krankenbett lernt Dylan auch den Folksänger Pete Seeger (Edward Norton) kennen, der für ihn eine Vaterfigur wird. Den Vater muss man aber bekanntlich ‚ermorden‘, um ihn zu überwinden. Die Tatwaffe ist, in diesem Fall naheliegend, die Gitarre, genauer: die elektrische Gitarre. Regisseur James Mangold („Walk the Line“) hat sich für seinen Film „Like A Complete Unknown“ von dem Sachbuch „Dylan Goes Electric!“ von Elijah Wald inspirieren lassen. Mangold entführt das Publikum mit großem Aufwand an Ausstattung in das subkulturelle New York der frühen 60er-Jahre jenseits der 5th Avenue und der Wall Street. Dorthin, wo die Undergroundkultur gedeiht, wo er einen in Katalysator für seine Ideen findet. Den kometenhaften Aufstieg des Musikers zeigt Mangold mit ersten Bekanntschaften im Village, seinen frühen Konzerten und ersten Kontakten zu Plattenfirmen. Ein faszinierend waghalsiges Biopic zwischen Popgeschichte und intimem Portrait, das für acht Oscars nominiert wurde.
Zuletzt rückte die übermenschliche Arbeit, die in Krankenhäusern Tag für Rag geleistet wird, während der Corona-Pandemie ein wenig ins öffentliche Bewusstsein. Man zollte den „Helden“ in den weißen Kitteln Respekt und verneigte sich vor ihrem Engagement. Eine solche „Heldin“ ist auch Floria Lind, die in Petra Volpes gleichnamigem Film in einnehmender Präsenz von Leonie Benesch („Das Lehrerzimmer“) verkörpert wird. Die dynamische Kamera von Judith Kaufmann begleitet die Protagonistin durch eine exemplarische Spätschicht in einem Schweizer Krankenhaus. Lediglich zwei Pflegende sowie eine Schülerin sind für die Station anwesend, weswegen die jungen Frauen aus dem Stress gar nicht herauskommen. Medikamente müssen verabreicht, Patienten in den OP-Saal gebracht und dort wieder abgeholt werden. Dazwischen ist noch die ganz normale Visite. Obwohl sie viel Empathie für ihre Schutzbefohlenen hat, gleiten Floria plötzlich die Zügel aus der Hand - und es kommt zu einem folgenschweren Zwischenfall. Kaum ein anderer Spielfilm hat es bislang mit dermaßen großem Authentizitätsgehalt und gleichzeitig so vielen Emotionen geschafft, in den beschwerlichen alltäglichen Wahnsinn eines Krankenhauses einzutauchen.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: das Künstler-Portrait „Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte“ von Klára Tasovská, das Gefängnisdrama „Sing Sing“ von Greg Kwedar, der Provinz-Schocker „When Evil Lurks“ von Demián Rugna, die RomCom „Bridget Jones: Verrückt nach ihm“ von Michael Morris und das Hexenabenteuer „Ein Mädchen namens Willow“ von Mike Marzuk.
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