Sie ist immer on the road, quer durch NRW, unterwegs zu ihren Patienten und Patientinnen, die am Ende ihres Lebens stehen. Als Palliativpflegerin sorgt Ivo noch einmal für eine letzte Erleichterung, überwacht die Schmerzmedikation, streichelt die Stirn der Sterbenskranken, hört ihnen zu. Minna Wündrich spielt diese Ivo mit bewundernswerter Ruhe und Gefasstheit. Es ist ihre erste Kinohauptrolle, nach langjährigen Engagements am Schauspielhaus Bochum und Düsseldorf und ein paar Nebenrollen in deutschen Komödien. Und sie trägt den Film bravourös, die Rolle ist wie für sie geschrieben. Eva Trobischs „Ivo“ ist ein zutiefst humanistisches Porträt über eine Palliativpflegerin und ihren Patientinnen und Patienten, die ihre je eigene Biografie, ihren je eigenen Charakter – die einen sind humorvoll, andere stur, manche herzlich, andere abweisend – mitbringen. Der Gang durch die Wohnungen und Häuser durch die ambulante Pflegerin (genial, wie Trobisch ihre Figur als Vehikel für ihr Thema einsetzt) ist auch ein Gang durch das Leben in Deutschland. Ein großer Glücksfall für das deutsche Kino.
Es beginnt mit einer fröhlichen Polonaise im Neapel der 1980er Jahre. Das Ehepaar Aldo und Vanda tauscht einen innigen Blick aus. Oder ist es schon ein ahnender? Denn nach dem folgenden harmonischen Familienabend mit den beiden acht- und sechsjährigen Kindern Anna und Sandro gesteht Aldo seiner Frau einen Seitensprung. Vanda schmeißt ihn aus der Wohnung, pocht aber auf jenen Pakt, den sie einst geschlossen hatten: „Es ist nicht nur eine Frage der Liebe, sondern auch eine Frage der Loyalität!“, und diese Unauflöslichkeit der Beziehung, die auch der Originaltitel „Lacci“ (Schnürsenkel) beschreibt, durchzieht nun die Geschichte. Der nach dem gleichnamigen Roman von Domenico Starnone entstandene Film „Was uns hält“ klingt im ersten Moment wie ein chaotisches Drama, aus dem es kein Entkommen gibt. Aber weil Regisseur Daniele Luchetti nicht zu lauten Tönen neigt, sondern die leisen Zwischentöne schätzt, wo nicht alles nur schwarz oder nur weiß ist, kommt er dem realen Leben sehr nahe. So wird dieser virtuos zwischen den Zeiten springende und aus mehreren Perspektiven erzählte Film zu einem unterhaltsamen, gleichwohl nachdenklich stimmenden Blick auf immer noch aktuelle Probleme, ohne zum moralisierenden Problemfilm zu werden.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Jeff Nichols Rocker-Drama „The Bikeriders“, Hans Blocks und Moritz Riesewiecks Doku „Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“ und Kiah Roache-Turners Spinnen-Horror „Sting“.
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