Karl (Jannis Niewöhner) sitzt im Führungskader der europaweit agierenden, jungen rechten Bewegung ReGeneration. Nachdem die junge Berlinerin Maxi (Luna Wedler) bei einem Bombenanschlag ihre Mutter und ihre zwei kleinen Brüder verliert und in Schmerz, Angst und Wut versinkt, heftet sich Karl an ihre Fersen und bietet sich an als empathischer Zuhörer und Tröster. Dem traumatisch unter Schuldgefühlen leidenden Vater (Milan Peschel) entfremdet, folgt Maxi ihrem attraktiven Verführer nach Prag, wo Karl eine Großveranstaltung aufzieht. Regisseur Christian Schwochow und sein Drehbuchautor Thomas Wendrich spinnen das weiter, was angesichts populistischer Manipulationsmechanismen und wachsenden Aggressionspotenzials nicht abwegig erscheint beziehungsweise längst passiert. „Je suis Karl“ ist nicht bloß Bestandsaufnahme, sondern erwächst zu einer unangenehm greifbaren Dystopie über dir Kunst der Verführung. Die Grundmechanismen dahinter sind trivial, man kennt das aus „Star Wars“, wo Schmerz und Frust geschürt zu Verbitterung und Hass, sprich: zur Dunklen Seite der Macht führen. Schwochow erzählt davon ganz bitter lebensnah im Hier und Jetzt. Stark in seinem spannend verdichteten Thrillerdrama sind die Darsteller, die Dialoge, die Details.
Kein geringerer als Edward Snowden, berühmtester aller Whistleblower, hat zu Beginn von Daniel Sagers Dokumentarfilm „Hinter den Schlagzeilen“ lobende Worte für die Investigativjournalisten Bastian Obermayer und Frederik Obermaier der „Süddeutschen Zeitung“. Gerade haben sie die „Panama-Papers“ veröffentlicht. Dann wird ihnen neues Material zugespielt: Ein Video, das den österreichischen Vizekanzler H.C. Strache in Ibiza zeigt, als dieser, reichlich besoffen, Allmachtsfantasien hegt. Ist das Video echt, wer ist die Quelle, warum wurde es ausgerechnet ihnen zugespielt? Darf man, auch rechtlich, den Inhalt des heimlich aufgenommenen Videos veröffentlichen? Ein bei aller Material-Brisanz unaufgeregt gehaltener Krimi aus dem Publikationsalltag einer großen Tageszeitung, der ganz nah dran ist an den Abenteurern unter den Schreibtischtätern.
Sie heißen Hasan, Rabia, Cengizhan, Tim, Stefi oder Anastasia; ihre Familien sind teils schon vor ein, zwei Genrationen nach Deutschland gekommen, teils erst kürzlich: In der Klasse 6b an einer Schule im hessischen Stadtallendorf spiegelt sich die multikulturelle Bevölkerung des Ortes. Der engagierte Pädagoge Dieter Bachmann paukt mit diesen Kids nicht nur Bruchrechnen, Lesen und Aufsatz-Schreiben; was er seinen 12- bis 14-jährigen Schützlingen - und dank Marias Speths Doku „Herr Bachmann und seine Klasse“ auch uns - an Persönlichkeitsbildung vermittelt, geht weit übers Lehrstoff-Büffeln hinaus: Respekt, Diskursfähigkeit Solidarität und Vertrauen in die eigene Stärke – in einem Land, das jenseits von Bachmanns Klasse noch nachsitzen muss, was das Annehmen und produktive Gestalten seiner Identität als Einwanderungsland angeht.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: die Musiker-Dokus „Paolo Conte - Via con me“ und „a-ha: The Movie“, Carsten Raus „Atomkraft Forever“, Denis Villeneuves Neuverfilmung „Dune“ und Darren Lynn Bousmans neuester Quäl-Geist „Saw: Spiral“. Für die Jugendfraktion startet außerdem Kim Strobls Mountainbike-Abenteuer „Madison - Ungebremste Girlpower“.
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