Ich kam, sah und siegte. Mit diesem Motto meistert der schneidige österreichische Politiker Maynard sein Leben. Sein Hobby ist die Jagd, aber nicht auf Tiere. Er hasst alle, die einen anderen Lebenswandel als er selbst propagieren. Außerdem ist er stinkreich und insgesamt ein Kotzbrocken, der aber mit allem durchkommt. Wozu gibt es schließlich Geld? Doch es gibt auch eine andere Seite: Er ist tatsächlich ein Familienmensch und nett zu seiner Frau und den Kindern. Der Österreicher Daniel Hoesl hat mit Co-Regisseurin Julia Niemann eine bitterböse Politsatire hingelegt, die schwer an die Machenschaften der Liberalen diesseits und jenseits der Alpen erinnert. Produziert hat „Veni Vidi Vici“ der nicht zimperliche Ulrich Seidl. Eine willkommene Abwechslung inmitten der aktuellen Politikdüsternis, der sogar der schwarze Humor abhanden gekommen ist.
London. Almut (Florence Pugh) ist aufstrebende Köchin mit anglobavarisch inspirierter Ausrichtung, Tobias (Andrew Garfield) bewirbt Müsliprodukte und befindet sich in Scheidung. Ein an sich ungemütlicher Schicksalsschlag bringt zwischen den beiden eine Romanze ins rollen. Der Funke, der überspringt, ist vielversprechend, zugleich aber kollidiert Bindungsbegehren mit dem Streben nach Unabhängigkeit, und in Sachen Kinderwunsch sind sich die beiden auch nicht einig. Lieben, lachen, streiten: Das Paar ist gefordert und zugleich erfüllt, bis eine Diagnose selbst verhärtete Konflikte überschattet. Der irische Regisseur John Crowley („Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten“) begleitet Almut und Tobias in „We live in Time“ verschachtelt und beseelt durch die Auf und Abs der tiefen Liebe. Vor allem berührt er mit authentischen Momenten: zum einen lebensnah im Drama, aber ebenso in komödiantischen Nuancen, die, selbst wenn sie mal over the top erscheinen, niemals ausscheren aus dem geerdeten Fundament – manchmal ist das Leben nun mal schlichtweg verrückt.
Die Olympischen Spiele in München 1972. Am 5. September um 4 Uhr morgens ist Schichtwechsel beim Sports-Team des US-Fernsehsenders ABC, das die Spiele erstmals mit Live-Kameras begleitet. Dann fallen im olympischen Dorf Schüsse, elf Mitglieder der israelischen Mannschaft werden von palästinensischen Terroristen als Geiseln genommen. Die Sonne geht auf, die Kameras werden ausgerichtet. Produzent Roone Arledge (Peter Sarsgaard) und sein Team begleiten die 21 Stunden währende Tragödie medial. Eine Berichterstattung, die von den Verantwortlichen unter hohem Zeitdruck fortwährend Improvisation abverlangt – und Entscheidungen, denen sich die Medienmacher so noch nie ausgesetzt sahen. Der Schweizer Tim Fehlbaum geht in „September 5 – The Day Terror Went Live“ mitten hinein ins Geschehen und verdichtet die 21 Stunden auf atemberaubende 95 Minuten. Während außerhalb des Studios die Verantwortlichen postulieren: „The games must go on“ und Olympioniken in der Sonne baden oder Minigolf spielen, münden die „heiteren Spiele“ in unmittelbarer Nähe in einem furchtbaren Blutbad. Die Journalist:innen der TV-Anstalt schütteln schon bald ihre Köpfe über die Inkompetenz der deutschen Polizei – bis sich die Zunft selbst in Fehlverhalten und –entscheidung verstrickt.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: die Dokumentation „Filmstunde_23“ von Jörg Adolph und Edgar Reitz und das auf tatsächlichen Begebenheiten beruhende Schauerstück „Das Mädchen mit der Nadel“ von Magnus von Horn.
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