American Graffiti
USA 1973, Laufzeit: 108 Min., FSK 16
Regie: George Lucas
Darsteller: Richard Dreyfuss, Ron Howard, Paul Le Mat, Cindy Williams, Harrison Ford
Am Vorabend von 'was Großem
Matt513 (259), 15.04.2022
Der Film, der George Lucas seinen Krieg* der Sterne für die Kinos ermöglichte. Alan Ladd Jr., damals in leitender Position bei 20th Century, erkannte nach Ansicht, daß es sich lohnte, auf den frischgebackenen Absolventen der Filmakademie sowie sein etwas ausgefallenes Skript zu setzen, ergo ihm die Ressourcen für eine große Filmproduktion beizustellen.
Gleichwohl ist diesem Frühwerk hier keinerlei Verwandtschaft zu dem späteren Megaerfolg anzumerken. Nicht nur vom gänzlich unterschiedlichen Sujet her. Zunächst mal ist American Graffiti eine kurze Episode jugendlicher Freunde, einige von Ihnen am Übergang zum nächsten, großen Lebensabschnitt. Das College ruft. Einige werden am nächsten Tag ihr bisheriges Dasein hinter sich lassen, manch einer mag sich von den vertrauten Verhältnissen nicht lösen. A propos Krieg* der Sterne nochmal; Dreyfuss' Curt, am ehesten die Hauptfigur des Films, wirkt wie eine Antithese zu Luke Skywalker. Während jener damit hadert, daß sein Onkel ihn nicht zu den Sternen fortlässt, würde Curt, ein notables Stipendium in der Tasche und begleitet von vielen guten Wünschen, am liebsten seine Abreise auf irgendwann verschieben.
Ferner besitzen Kameraführung sowie Schnittfolge etwas Traumwandlerisches. Häufige Totale und lange Schnitte lassen die abendlichen Szenen, wenn die Jugendlichen in ihren Autos durchs Städtchen cruisen und das Radio die Dialoge halb überdeckt, entrückt, fast wie Nouvelle Vague wirken. Einem Auto sticht man an der Ampel die Reifen platt, aber dessen Insassen lachen fröhlich. Eine Beifahrerin bekommt ein Getränk an den Kopf geworfen, trotzdem haben alle zusammen Spaß.
Man bekommt kein Abbild der Realität vorgeführt, sondern das Abbild eines idealisierten Abbildes der Realität. In Eyes Wide Shut läuft Cruise als Dr. Harford vor einer extra im Studio nachgebauten New Yorker Straßenecke, wodurch die Szene ähnlich surreal wirkt und dazu seinen unsteten Gemütszustand darin unterstreicht. Genauso verhält es sich hier mit Lucas' Charakteren. Ungewiß ist, was sich für manchen im nun anbrechenden Lebensabschnitt ergibt. Was wird sein, wenn ich alleine in der fremden Stadt bin? Wie wird es mit der Clique weitergehen? Wird mein Liebster auf dem College mich vergessen? Werde ich die hübsche Blonde im weißen Thunderbird nochmal wiedersehen? Kurzum, hat irgendwer eine Vorstellung, wie es nun weitergeht? Nö. Lucas war drauf und dran gewesen, sein nachfolgendes Weltraummärchen ähnlich gedreht ins Kino zu bringen; lange, distanzierte Totale, unspektakulärer Schnitt. Der epochale Erfolg wäre wohl ausgeblieben (u.a. der später preisgekrönte Schnitt eines Könners rettete ihn). Aber hier in American Graffiti passt es, denn den Zuschauer läßt es am emotionalen Schwebezustand der Charaktere teilnehmen.
Man muß Lucas' Entscheidung bewundern, in jenen depressiven Jahren solch einen federleichten Film über vergangene Tage zu machen. Vietnam, Watergate, die Ölkrise hatten Nordamerika in den frühen 70ern auf die Knie stürzen lassen. Dem folgend war der Blick des Kinos auf Politik und Gesellschaft ernüchternd, zynisch bis deprimierend. Für einen Newcomer, dessen erster Film THX1138 zudem bei den Sponsoren durchgefallen war, ging Lucas also schon ein gewisses Risiko ein. Was nichts gegen jenes war, das er mit seinem nächsten Film auf sich nahm.
Der Rest ist Geschichte. Aber das konnte die Kinowelt bei diesem 'Vorabend von 'was Großem' natürlich nicht ahnen :).
______________
*Psst, falls jemand aus St.Petersburg anruft, ich habe dieses Wort nie benutzt, OK?
Cannes kann
Neue Werke von Hausner und Glazer an der Croisette – Vorspann 06/23
Die Scheiben des Kinos
Vom Zauber der Gebäude und Menschen – Vorspann 05/23
„Bei Schule können wir nicht einfach etwas behaupten“
3 Fragen an Johannes Duncker, Drehbuchautor von „Das Lehrerzimmer“ – Gespräch zum Film 04/23
Komplizinnenschaft
Das IFFF bietet einen Blick auf feministische Solidarität – Festival 04/23
Selfie mit dem Raptor
Dino-Show „Jurassic World: The Exhibition“ in Köln - Film 04/23
„Ich hatte bei diesem Film enorm viel Glück“
Tarik Saleh über „Die Kairo Verschwörung“ – Gespräch zum Film 04/23
„Petzold hat einen Reichtum an Anekdoten“
Enno Trebs über „Roter Himmel“ – Roter Teppich 04/23
Endlich wieder in voller Blüte
Das Filmfestival-Comeback im April – Vorspann 04/23
Mysteriöses auf schottischem Landsitz
„Der Pfau“ im Cinedom – Foyer 03/23
„Emotionen kochen hoch und Leute entblößen sich“
Lavinia Wilson über „Der Pfau“ – Roter Teppich 03/23
„Man muss sich über alte Zöpfe Gedanken machen“
Clemens Richert zur 44. Auflage der Duisburger Akzente – Festival 03/23
Blumen statt Kotbeutel
Warum wir die Kritik brauchen – Vorspann 03/23
Alle Farben der Welt
37. Teddy-Award-Verleihung bei der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Drei NRW-Filme im Berlinale-Wettbewerb
20. NRW-Empfang im Rahmen der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Hochwertiges deutsches Filmschaffen
Verleihung des Preises der Deutschen Filmkritik 2022 auf der Berlinale – Foyer 02/23
„Einen Körpertausch würde ich nicht gerne machen“
Jonas Dassler über „Aus meiner Haut“ – Roter Teppich 02/23
Zurück nach 1973
Essener Filmkunsttheater setzen ihre Jubiläumsreihe fort – Vorspann 02/23
Wenn kein Geschäft mehr sein darf
Die Stadt Mainz führt die Kinorettung ad absurdum – Vorspann 01/23
„Die Sichtung ist das Highlight!“
Katharina Schröder zum 30. Jubiläum des blicke Filmfestivals – Festival 01/23
Mehr als Ruhrgebietsromantik
Filmfestival blicke: Jubiläumsauftakt im Bahnhof Langendreer – Festival 12/22
An die Arbeit
Filmfestival blicke: Sonntagsmatinee in Bochum – Festival 12/22
Fatihs Punch
Nicht das Kino muss gerettet werden, sondern der Spielfilm – Vorspann 12/22
Herbstzeit – Kinozeit
European Arthouse Cinema Day – Festival 11/22
Soziale Beziehungen im Brennpunkt
Filmfestival blicke in Bochum – Festival 11/22
Asteroid City
Start: 15.6.2023
Sie sind zur Zeit nicht auf der Website angemeldet.
Melden Sie sich hier an, um einen Beitrag zu schreiben.