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Als das Meer verschwand

Als das Meer verschwand
Neuseeland 2004, Laufzeit: 128 Min.
Regie: Brad McGann
Darsteller: Emily Barclay, Matthew MacFadyen, Miranda Otto, Colin Moy, Jimmy Keen, Toby Alexander, Nicholas Hayward, Jodie Rimmer, Vicky Haughton

Als der Kriegsfotograf Paul (Matthew MacFadyen) nach 17 Jahren nach Hause kommt, hat sich nicht viel verändert. Es sind dieselben Menschen, die vorhersehbar ihre 17 Jahre gealtert sind, sich arrangiert haben und deren Horizont begrenzt ist durch die wundervollen Gebirge, die das Kaff in der Einöde Neuseelands umgeben. Während Pauls Abwesenheit wurden hier einige Menschen geboren und einige starben - der Tod seines Vaters ist der Grund für Pauls unvermutete Rückkehr. Sein älterer Bruder Andrew ist der überraschenden Begegnung nicht gewachsen und tritt Paul höflich, aber versteinert gegenüber. Paul zieht sich zurück in eine alte Hütte draußen bei einer Apfelplantage. Der Schuppen diente einst seinem Vater als Rückzugsort, an dem er gemeinsam mit Paul über den Rand der Kleinstadt hinausblickte. Vinyl und Bilder erinnern den Heimkehrer an die Zeiten, in denen er mit dem Vater lachte und philosophierte. Und Schallplatten von Patti Smith erinnern Paul an seine leidenschaftliche Jugendliebe Jackie, als dieser Ort für ihn und Jackie der Mittelpunkt der Welt und das Drumherum egal war. Patti Smith wurde für Jackie zur Ikone. Jetzt lebt sie noch immer hier, mit einem launischen Mann und ihrer pubertierenden Tochter Celia (Emily Barclay). Während die Mutter dereinst die Texte ihres Idols mitgrölte und dabei ihren geweckten Freiheitsdrang in den Armen Pauls befriedigt sah, ist es jetzt ihre Tochter, der die Idylle nicht genug ist, die sich der Kunst verschreibt, der Dichtung, ganz im Geiste der von der Mutter verehrten Rockpoetin. Patti Smith, deren Karriere Mitte der 70er begann, ist eine der einflussreichsten, weiblichen Rock'n'Roller aller Zeiten. Sie gilt als brillanteste Verschmelzung von Rock und Poesie seit Bob Dylan. Und wie Bob Dylan entdeckt Celia früh ihr kreatives Potential, das mit ihrem dörflichen, spießigen Umfeld kollidiert, in dem sie sich nicht wieder findet ... Gemäß dem Trend, nach dem sich momentan im Kino realitätsnahe Dramen größerer Beliebtheit erfreuen, entwirft Regisseur Brad McGann ein packendes Sozialdrama, mit dem er erfrischend eigenständig bleibt. Zum einen gelingt ihm dies durch die Verquickung mit einem Familiendrama, dem er schließlich noch Thrillerelemente einverleibt. Zum anderen spiegelt er hier eine Realität mit einer Kameraarbeit, die ein puristisches Umfeld mit körnigen Bildern einfängt. McGanns Kino ist groß, breit und episch. Die Bilder entsprechen dem poetischen Genie seiner jungen Protagonistin und spiegeln die Welt trotz aller Brillanz ebenso ehrlich, wahr und ernüchternd wie so manch nüchterne Inszenierung. Das kleine Drama ist hier großes Kino, das von Neuseelands Landschaftskulissen und vor allem von den großartigen Schauspielern getragen wird. Der Drang nach Ausbruch ist global, sei es aus der Plattenbausiedlung, dem Großstadtmief oder der Provinz. McGann bebildert das Streben nach Selbstverwirklichung, das Bedürfnis nach Flucht und Rebellion, die die Jugend seines kleinen Städtchens vereint, die aber nur Celia mit Perspektiven zu füllen weiß. Seiner Protagonistin setzt der Regisseur mit Paul einen Gleichgesinnten zur Seite, der seine Sehnsüchte in den Kriegsgebieten der Welt zu finden oder zu begraben scheint, und bei dem man lange nicht weiß, ob er nun sucht oder flüchtet. Celia befindet sich noch mittendrin in der Misere, der Paul vor 17 Jahren den Rücken kehrte. "Als das Meer verschwand" ist übrigens der Titel einer Geschichte von Celia, die als Metapher für ihre Existenz steht und über die sie verzweifelt versucht, ihrem Dasein zu entkommen.

(Hartmut Ernst)

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