Improvisierte Musik ist ihrer Natur nach ungewiss – genau das macht ihren Zauber aus. Das Moers-Festival am Niederrhein spiegelt diesen Geist wider, wenn auch auf eine für seine Liebhaber ziemlich anstrengende Art und Weise: Seit Jahren hat das Festival mit finanziellen Problemen zu kämpfen, so auch in diesem. Als Anfang März das Programm verkündet wurde, war noch gar nicht sicher, ob es überhaupt stattfinden kann. Letzten Endes hat sich die Stadt entschlossen, das finanzielle Risiko einzugehen, um das Festival am Leben zu halten. Eine gute Entscheidung – nicht umsonst bekam es letztes Jahr den Preis des European Jazz Networks für innovative Programmgestaltung. Und schließlich ist es sicher auch ihm zu verdanken, dass das recht unscheinbare Moers am Niederrhein ein Magnet für die Jazz-Szene geworden ist. Davon dürfte auch das Stadt-Marketing profitieren: Moers als „New Orleans vom Niederrhein“ – wäre das nicht eine knackige Trademark?
Mit dem Mojazz-Festival, dass Ende April im Bollwerk 107 stattfindet, hat sich schon ein weiteres, wenn auch noch kleines Jazz-Festival entwickelt, das das kulturelle Leben in Moers bereichert. Und wie sieht‘s beim Moers-Festival selbst aus? Die Musik ist nachdenklicher geworden, die Musiker jünger, sagt der künstlerische Leiter Reiner Michalke. Der freut sich übrigens besonders, endlich ein lang erwartetes Häkchen auf seinem Wunschzettel zu setzen: nämlich hinter den Namen des Isländers Jóhann Jóhannsson. Der Musiker und Filmmusik-Komponist (für „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ ausgezeichnet mit dem Golden Globe) knüpft dunkle Klangteppiche, behutsam und mit Liebe zum Detail, wie „Fordlandia“ oder „Dying Cities“. Wie stirbt eigentlich so eine Stadt? Bei Jóhannsson siecht sie langsam dahin, begleitet von traurigen Klagegesängen und elektronischem Zucken. Ebenfalls spannend, aber ungleich verspielter kommen Dawn of Midi aus Brooklyn daher: Akustik-Bass-lastig und komplex, aber für ihr Genre überraschend eingängig.
Spannend wird sicher auch das Lisbon Underground Music Ensemble: Es macht auf seiner ersten Konzertreise außerhalb der iberischen Halbinsel Halt in Moers. Einen kürzeren Weg nimmt der Düsseldorfer Pianist Hauschka auf sich, der gemeinsam mit dem finnischen Perkussionisten Samuli Kosminen auftritt. Hauschka schafft es, seinem Flügel die überraschendsten Töne zu entlocken, dafür präpariert er die Saiten mit Kronkorken, Klebeband und anderen Gegenständen.
Die Nachfolge von Saxophon-Gigant Colin Stetson als Improviser-in-Residence tritt Carolin Pook an: Seit Januar ist sie in Moers zu Gast, hat schon einige Konzerte gespielt und sich für das Festival die Komposition „pezzettino 8“ einfallen lassen: eine 40-minütige Tour durch eine Klangwelt aus Geige und Percussion, gemeinsam auf die Bühne gebracht mit acht weiteren Musik-Talenten. Die wilde Collage wird das Festival eröffnen.
Moers Festival | 13.-16.5. | Festivalhalle Moers, Venloer Straße | www.moers-festival.de
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