„Was tun“ lautet in diesem Jahr kurz und knapp der Fokus des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund I Köln (IFFF). Es müsse etwas getan werden, angesichts weltweiter ökologischer und politischer Krisen, ist im Programmheft zu lesen. „Wie können entsprechende Gegenentwürfe aussehen? Welche Strategien des Widerstands und Formen des Protests sind möglich und wie positionieren sich vor diesem Hintergrund Künstlerinnen und Filmemacherinnen?“. In Anbetracht jüngster Ereignisse scheinen all diese Fragen drängender denn je. Die Entwicklungen in Nordafrika, die Katastrophe in Japan, die Krise des Kapitalismus – offensichtlich leben wir in einer Zeit großer Instabilität. Kann die Kunst Antworten liefern, oder ist sie dafür verantwortlich, dass zumindest die richtigen Fragen gestellt werden? Das IFFF legt eine dritte Lesart nahe, denn da steht kein Fragezeichen: „Was tun“ – das ist eine Aufforderung.
Voller Tatendrang
Vom 12. bis zum 17. April wird das Internationale Frauenfilmfestival dem Tatendrang einen großen Raum bieten. Allerdings entgegen dem Namen des Festivals nur in Dortmund, nicht aber in Köln. Denn zumindest die Krise des Kapitalismus hat längst auch die Kultur erreicht und nicht zuletzt das IFFF. Zwar ist das Budget nicht geschmolzen, doch die Kosten konnten nicht gehalten werden. Das Festival, das abwechselnd in Dortmund und Köln ausgetragen wird, zeigte bislang die Wettbewerbsfilme immer auch in der jeweils pausierenden Stadt. Doch bereits bei der letzten Kölner Ausgabe musste die Wiederholung des Wettbewerbs in Dortmund aus Kostengründen ausfallen. In diesem Jahr werden die acht Filme des Dortmunder Wettbewerbs in Köln nicht zu sehen sein.
Das städtische Budget ist bereits ausgeschöpft, die zusätzlichen Kosten konnten auch über private Sponsoren nicht aufgefangen werden. „Im Grunde kriegen sie heute nur Sponsoren, wenn sie denen eine Veranstaltung anbieten, bei der ein Preis überreicht wird ... Aber der Preis hat ja in Dortmund schon einen Sponsor, da können sie nicht einen zweiten Sponsor für Köln anfragen“, erläutert Festivalleiterin Silke J. Räbiger im Gespräch mit trailer das Dilemma. „Es tut uns unglaublich leid, dass wir das auch in diesem Jahr nicht schaffen konnten, denn es war ja das erklärte Ziel, dass Teile des Festivals auch in der anderen Stadt stattfinden können. Aber das bleibt als Programmpunkt bei uns im Hinterkopf gespeichert und ich hoffe sehr, dass wir das in den nächsten Jahren wieder machen können“. Nun wolle man sich aber erst mal auf das Kerngeschäft, den Fokus und den Wettbewerb, zurückziehen. Den mit 1000 Euro dotierten Publikumspreis des Wettbewerbs stiftet auch in diesem Jahr der „trailer“.
Spannendes Kernprogramm
Der Festival-Kern kann sich sehen lassen, denn in Dortmund mussten keine gravierenden Einschnitte gemacht werden. Alleine der Fokus „Was tun“ setzt sich aus zahlreichen Filmreihen zusammen: „Wer sich nicht wehrt“ thematisiert die Unterdrückung marginalisierter Gruppen weltweit. „Age of Stupid“ behandelt ganz tagesaktuell den ökonomischen und ökologischen Irrsinn, der auf dieser Welt im Zeichen des Profits geschieht. Neben dem vielbeachteten gleichnamigen Film von Franny Armstrong wird dort unter anderem auch der bereits auf dem Leipziger Dokumentarfilmfestival ausgezeichneten Film „There once was an Island“ über das südpazifische Atoll Takuuden und dessen bevorstehenden Untergang gezeigt. Dort steigt der Meeresspiegel wegen der Erderwärmung einerseits und der Verschiebung der Erdplatten andererseits jährlich um zwei Meter. Auch hier denkt man unwillkürlich an die jüngsten Ereignisse in Japan.
Die Reihe „Widerstand durch Kunst“ zeigt „Wasteland“ von Lucy Walker. Der Film begleitet ein soziales Kunstprojekt von Vik Muniz. Zusammen mit dem in New York lebenden brasilianischen Künstler von Weltrang besucht die Regisseurin Lucy Walker die größte Müllhalde der Welt. In derselben Reihe werden Fans der Electropunk Band Le Tigre auf ihre Kosten kommen. Die Doku „Le Tigre: On Tour“ von Kerthy Fix begleitet das feministische Trio auf ihrer bis dato letzten Weltournee und zeigt drei so sympathische wie im Umgang mit ihrer Musik, ihren Rollen, der Musikindustrie und ihren Fans reflektierte Musikerinnen. In „Off the Map“ erzählen drei Filme von Außenseiterinnen und ihrem Kampf gegen Macht- und Gewaltverhältnisse. Darunter „Look Stranger“ von Arielle Javic mit Anamaria Marinca („Der Sturm“) in der Rolle einer Frau, die in ihre vom Krieg gebeutelte Heimat zurückkehrt. Die Reihe „Urbane Landschaften“ kümmert sich schließlich um den Themenkomplex der Gentrifizierung und der Programmpunkt „Oase im Beton“ begibt sich auf künstlerischem Terrain in den Öffentlichen Raum (siehe S. 5).
Daneben gibt es kleinere Programmpunkte wie das Animationsfilmprogramm „Tricky Women“, bei dem solche Perlen wie „The Last Knit“ von Laura Neuvonen laufen. Es ist eine Abwandlung des Sisyphos-Mythos auf Häkelbasis. Passend zu dem Animationsfilmprogramm wird es auf dem Festival auch eine Comiclesung von Ariel Schrag geben. Und auch tief in der Filmgeschichte wurde gegraben. Ein Stummfilmprogramm zeigt alte Schätze mit starken Frauen, zum Beispiel Mistinguett, die in den 1910er Jahren bekannteste und bestbezahlte Schauspielerin der Welt. Hier ist sie als forsche, selbstbewusste Frau zu sehen, die auf der Suche nach ihrem Häkelgarn eine ganze Wohnung fachgerecht zerlegt. So etwas bekommt man wohl nur auf dem IFFF zu sehen.
IFFF – Internationales Frauenfilmfestival Dortmund|Köln 2011
12.4. - 17.4. in Dortmund
Orte: Schauburg, Kino im Dortmunder U, sweetSixteen, Roxy
0231 502 5162
www.frauenfilmfestival.eu
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