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Der radikale doku-fiktionale Film „Frailer“ von Mijke de Jong
Foto: Presse

Komfortzonen in Frage stellen

26. März 2015

Internationales Frauenfilmfestival IFFF in Dortmund – Festival 04/15

Sie würde die Ruhrgebietsfrauen der Kriegs- und Nachkriegszeit um ihren gerechten Lohn in der Geschichtsschreibung bringen, warf man im Februar der Historikerin Leonie Treber vor, als sie in Essen ihre Doktorarbeit „Mythos Trümmerfrauen“ vorstellte. Auch wenn Trebers Arbeit weitaus differenzierter ist, als der Titel vermuten lässt, wurde durch diese Auseinandersetzung deutlich, dass in die Identität des Ruhrgebiets auch das Bild der hart arbeitenden und schaffenden Frau eingebunden ist. Kein Wunder, ist doch die Arbeit das identitätsstiftende Merkmal der Region schlechthin. Dennoch, auch wenn man sich nun so sehr über den Mythos Trümmerfrau echauffiert, in der Darstellung des malochenden Ruhrgebiets dominieren zweifelsfrei die Männer. Auf den Postkarten lachen kohleverschmierte Kumpel, in den hiesigen Filmklassikern gehen bodenständige Raubeine durch Dick und Dünn. Das diesjährige Internationale Frauenfilmfestival belässt es nicht bei dieser Darstellung, sondern erweitert sie mit Filmzeugnissen.

Der Komplex der Arbeit wird in diesem Jahr einen bedeutenden Platz innerhalb des kritischen Themenschwerpunkts „Komfort“ einnehmen. Komfort, Bequemlichkeit, die Verbesserung des Lebensstandards – das gehört zu den großen Zielen unserer heutigen Gesellschaft. Doch zu welchem Preis, hinterfragt das Frauenfilmfestival. Sind die hart Arbeitenden tatsächlich auch die Nutznießer des Erreichten? Die Prognose über die Verteilung des Weltvermögens scheint die Frage eindeutig zu verneinen. Und geht Komfort stets einher mit Wohlstand? Ist Komfort noch bei kritischem Umgang mit Konsum gewährleistet? Vom 14. bis 19. April werden über 80 Beiträge weiblicher Filmschaffender kurz und lang, fiktional und dokumentarisch, narrativ und experimentell diese Fragen umreißen. Aktuelle Filme über die vergessenen Jugendlichen der Banlieues gesellen sich zu Filmen über das Dortmund der 40er bis 80er der Regisseurin Elisabeth Wilms, Ausbrüche aus dem Minimalkomfort und Nebenwirkungen der Überkonsumgesellschaft.

Das Frauenfestival versteht seine Arbeit aber nicht nur darin, gesellschaftsrelevante Themen breit gefächert und kritisch aufzuarbeiten, sondern auch als Plattform für Frauen im Film zu fungieren. Noch immer knacken Regisseurinnen nicht die 20-Prozent-Marke, obwohl sie an den Filmhochschulen paritätisch vertreten sind. Die Frage nach einer Quote – nicht nur auf Film bezogen – wird daher das Thema der diesjährigen Podiumsdiskussion sein. Das Frauenfilmfestival unterstützt weibliche Filmschaffende auch auf eigene Weise, indem es einem von acht aktuellen Filmen im Spielfilmwettbewerb mit dem mit 15.000 Euro dotierten RWE-Filmpreis zu einer Kinoauswertung verhilft. Die Arbeiten reichen von Südamerika, über den Mittleren bis in den Fernen Osten, sind mal komödiantisch wie „Love Island“, mal drastisch wie das Krebsdrama „Frailer“, mal still berührend wie „Futatsume no mado“, mal aufrührerisch wie „Red Rose“ aus dem Iran. Den Preis vergeben wird eine internationale Jury. Beim trailer-ruhr-Publikumspreis erhält das Publikum die Stimme. Mit zwei aktuellen Themen, lebhaften Diskussionen, begleitenden Kunstperformances und Publikumsbeteiligung verspricht das Festival wieder kontrovers und fruchtbar zu werden.

Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln
| 14.-19.4. | div. Kinos in Dortmund | www.frauenfilmfestival.eu

LISA MERTENS

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