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Die „Mutter Hiroshima7 symbolisiert das Leid Vieler.
Foto: Julia Reiker

„Willkommen, Gevatter Tod“

07. August 2015

70. Jahre später gedenkt Dortmund am 6.8. der Opfer von Hiroshima und Nagasaki

Treffpunkt Reinoldikirche zum jährlichen Mahngang gegen Atomwaffen am 6. August. Schaut man sich um, ist unverkennbar, was auch die veranstaltenden Friedenaktivisten selbst immer wieder betonen: Die jungen Generationen fehlen. Und es stimmt, dass ‚wir‘ tatsächlich nicht in ständiger Angst eines Atomkrieges großgeworden sind. Umso schwerer ist es, allen Altersgruppen die immer noch herrschende Bedrohung und ein Bewusstsein für die Zukunft deutlich zu machen. Umso erfreulicher, dass wenigstens einige Jugendliche den Weg zur Gedenkveranstaltung gefunden haben.

Im Zeichen des Kranichs

Erste Station des Mahngangs ist der Platz von Hiroshima, an dem Anselm Treeses Kunstwerk „Mutter von Hiroshima“ steht. Der trauernden Frau in Bronze wurde zum Gedenktag eine Kette aus Kranichen um den Hals gehängt. Der Kranich, das japanische Symbol des Glücks und Zeichen der Friedenbewegung, wird uns auch durch den Rest des Abends begleiten. Passend also auch der Vorschlag, sich bald zum Origami-Falten hier wiederzutreffen, heute muss zunächst einmal das gemeinsame Singen des Friedenskanons reichen.

World Peace Flower

Ginkgo und Kaki – wenige Beispiele dafür, wie die Natur der menschlichen (Selbst)Zerstörung trotzt. Der Ginkgo-Baum erinnert am Dortmunder Friedensplatz daran, dass das Leben auch nach atomarer Zerstörung noch weitergeht, steht aber gleichzeitig auch für die vielen Opfer. Ein passender Abschluss des Mahngangs.

Leo Lebendigs Lichtkunst verbindet, Foto: Julia Reiker

Im Rathaus hat der Lichtkünstler Leo Lebendig sich bereits vorbereitet, um seiner Lichtinstallation „World Peace Flower“ eine neue Einsatzmöglichkeit zu verschaffen. Statt wie im vergangenen Jahr die sternförmige Blume aus Symbolen von der Decke des Rathauses hängen zu lassen, sind nun die Menschen durch sie verbunden und bewegen sich zu Posaunenmusik und Anweisungen des Künstlers im Takt. Kunst schafft Verbindungen, hier in ganz wörtlichem Sinne.

Ein Zeichen setzen

Die eindrucksvollsten Worte des Abends stammen von einem Überlebenden selbst, aus dem japanischen Original vorgetragen von seiner Tochter. Shigemi Ideguchi erlebte 1945 die Atombombe auf Hiroshima aus nächster Nähe. Er beschreibt in seinem Buch „Singvögel und Raben waren auch nicht mehr da“ seine Erinnerungen an den Tag selbst, aber auch an die körperlichen und seelischen Folgen der Atombombe. Hier geht es nicht um unvorstellbar hohe Opferzahlen und Statistiken, sondern um die beispielhafte Innenschau eines Überlebenden, der eine Frau nicht aus den Flammen retten kann, da sich ihre Haut auflöst. Der nach einigen Jahren selbst beginnt, sich aufzulösen, unter ständiger Beobachtung der amerikanischen ABCC (Atomic Bomb Casualty Commission), die Leiden dokumentiert, aber nicht behandelt. Den Vorsatz, „Gevatter Tod“ bei Einsetzen der Strahlenfolgen willkommen zu heißen, hält Ideguchi nicht ein.

Der Bericht, der bereits 1989 in Japan erschien, wurde von seiner Enkelin Rima Ideguchi und ihrem Mann Fabian Liedtke nun ins Deutsche übertragen. Beide begleiteten, gemeinsam mit Thorsten Lange-Rettich, als Posaunentrio „Buccinate“ auch musikalisch den Abend.

„Wir müssen halt immer mehr werden“

Zuvor erinnern Oberbürgermeister Ullrich Sierau und Yoko Schlütermann, Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Gesellschaft, alle Anwesenden im gut gefüllten Saal Westfalia an die internationale Verpflichtung, Atomkraft abzuschaffen. Sierau zeigt sich immer wieder erschüttert, wie in vielerlei Hinsicht der Zweite Weltkrieg das schlimmste im Menschen hervorgerufen habe. Yoko Schlütermann betont in ihrer Rede die besondere Verantwortung Japans beim Thema Atomkraft. Besonders der Umgang mit dem Unglück in Fukushima zeige, dass auch 70. Jahre später nicht die richtigen Konsequenzen aus den Geschehnissen in Hiroshima und Nagasaki gezogen worden seien. Inge Zeller von der Vereinigung „Ärzte gegen die atomare Bedrohung“ findet schließlich die richtigen Worte zum Abschluss der Veranstaltung, wenn sie sagt: „Wir werden nicht so schnell etwas ändern können und wir sind nicht viele. Aber wir müssen halt immer mehr werden.“

Julia Reiker

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