Den Beat zieren sanfte Streicher, der Refrain geht, simpel und eingängig: „It's hopeless“ und das Publikum tanzt. Eine seltsame Situation beim Auftritt des Berliner Rappers Amewu.
„Gelang' ich irgendwann an den Strand, fang' ich an Sand zu sortieren“, rappt er. Das glaubt man ihm gerne: Seine Texte überborden vor Selbstreflektion und Reflektionen über eben diese. Amewu ist mit solchen Inhalten kein Exot im HipHop, zumindest nicht mit Blick auf die Untergrund-Szene. Aber: Der Mainstream wird derzeit bestimmt von seichten Pop-Tiraden à la Cro und den ewig wiederkehrenden Machoposen des Gangstarap. Im Gegensatz zu diesem musikalischen Fast-Food ist Amewu so etwas wie das rappende Reformhaus: Sicherlich die gesündere Kost, doch fehlt so ganz ohne Geschmacksverstärker nicht der nötige Kick?
Fans wie Martin Krämer haben sich auf jeden Fall an der überwürzten Kost überfressen: „Das ist doch alles nur inszeniert“, sagt er über chartsstürmende Rapper. „Dabei sollten Rapper doch keine Scheiße labern in ihren Texten. Rap hat doch eine große Auswirkung, grade auf junge Leute“, findet er.
Stichwort: Verantwortung. Die sollte ein Künstler laut Amewu auf jeden Fall haben.
Trotz vielsagender Albumtitel wie „Leidkultur“ würde er selber seine Musik aber nicht als besonders politisch betrachten, sagt der ehemalige Philosophie-Student. Ob die oft verschmähten Gangsterrapper da nicht vielleicht eine größere politische Tragweite haben? Amewu ist empört: Dass Gangstarapper wie Haftbefehl, die den Unterschichtenslang in die Charts bringen, jetzt in feinen Feuilletonstuben besprochen werden, findet er schlichtweg opportunistisch. „Politisch wird das doch erst durch die Analyse“, sagt er. Nicht durch die meist unüberdachten Texte. „Ich überlege mir auf jeden Fall sehr gut was ich sage“, so Amewu.
Das Konzert wird von der Jugendhilfe Essen veranstaltet: Im Rahmen des Projekts „Fair rappt“ sollen Jugendliche sich nicht nur mit Musik, sondern auch Politik auseinandersetzen: „Unser Hauptziel ist es, Jugendliche mit Politik und Demokratie zu konfrontieren“, erklärt Sozialarbeiter Martin Stichler. Dementsprechend setzt man auf Rap mit pädagogischem Nutzen, bei vorigen Konzerten trat beispielsweise die feministische Rapperin Sookee auf. Und beim Konzert mit Amewu ist nun auch Amnesty vor Ort, um sich für Flüchtlinge stark zu machen.
Neben den großen gibt es aber auch die kleinen Schicksale. Ein älterer Besucher erzählt, dass „Conscious-Rapper“ wie Amewu ihn aus seinen Drogenproblemen geholfen haben. Beim Konzert steht der Mann in den vorderen Reihen, während der Refrain wieder die Hoffnungslosigkeit zelebriert. Amewu selbst hat für diese Ironie eine einleuchtende Erklärung: „Vielleicht freuen sich manche Leute einfach darüber, dass bestimmte Sachen ausgesprochen werden“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
„Die Welt ist ein Stück weit aus den Fugen geraten“
Bernhard Docke über die Entwicklung der Menschenrechte – Spezial 01/23
Kampf um des Menschen Rechte
Das Unlimited Hope-Filmfestival in Bochum – Festival 01/22
„Einblick in unterschiedliche Welten“
Irmtrud Wojak und Jakob Gatzka über „Unlimited Hope“ – Festival 12/21
Festival der grenzenlosen Hoffnung
Unlimited Hope, neues Filmfestival in Bochum – Festival 12/21
Das Publikum ist ein Arschloch
„2099“ des Zentrums für Politische Schönheit am 7.11. im Schauspiel Dortmund
Einer von vielen
Raif Badawi ist immer noch in Haft, die Befreiungskampagne geht weiter
Widersprüche aushalten
Diskussion zu „Antifeminismus“ mit Anne Wizorek und Stefanie Lohaus im Bahnhof Langendreer am 21.5.
Filmischer Ungehorsam
„An der Seiter der Braut“ am 20.5. im Bahnhof Langendreer – Foyer 05/15
Wenn Frauen „ihren Mann stehen“
Eröffnung der Fotoausstellung „FrauenArbeitswelten im Mittleren Ruhrgebiet“ in Witten
Der Kampf ist weiblich
Ex-DGB-Vize Dr. Ursula Engelen-Kefer spricht in Bochum über Armut
Queerer Kölner Kultstar
Udo Kier wurde bei den 29. Teddy Awards für sein Lebenswerk geehrt – Festival 02/15
„Quotenregelungen halten Menschen nicht auf“
Der NRW-Flüchtlingsrat im Gespräch mit Amnesty International am 11.2.
Klänge der Gegenwart
Konzertreihe mex im Künstlerhaus Dortmund – Musik 07/25
„Jüdische Musik in der Region verankern“
Die Leiterin der Alten Synagoge Essen, Diana Matut, zum Festival jüdischer Musik Tikwah – Interview 07/25
Impossible Dortmund
Wilco im Dortmunder JunkYard – Musik 06/25
Gegen die Stille
Das 54. Moers-Festival – Musik 06/25
Magische Momente
Cat Power im Düsseldorfer Capitol Theater – Musik 06/25
Eine große Ausnahme
Der Pianist Alexandre Kantorow in Wuppertal – Musik 06/25
Lieber ins Meer springen
Slow Leaves im Düsseldorfer Zakk – Musik 05/25
Landlocked Dortmund
Richard Thompson im Dortmunder Piano – Musik 05/25
Entgegen der Erwartung
4. stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen – Festival 04/25
Danke für alles!
Oysterband in der Bochumer Zeche – Musik 03/25
Tanzen, Schwitzen, Lächeln
Ina Forsman im Dortmunder Musiktheater Piano – Musik 03/25
Herz bricht Klischees
Krazy und Karl Neukauf im Dortmunder Subrosa – Musik 02/25
Große Stars und die nächste Generation
Zum Programm des Klavierfestivals Ruhr – Festival 02/25