Es sind diese Unterhaltungen der Menschen, die mit auf die Hochzeitsreise gehen, die im Film „An der Seite der Braut“ bewegen – Flüchtlingsgespräche: Man empört sich etwa über die Ankündigung von 17 europäischen Staaten, syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Geschehen ist nichts. „Sie kündigen so vieles an und die Wirklichkeit sieht dann ganz anders aus“, empört sich Abdallah Sallam.
Er ist einer der Überlebenden des Schiffsunglücks, bei dem am 11. Oktober 2013 hunderte Menschen vor Lampedusa starben: „Wir waren fast ertrunken und die Küstenwache hielt es nicht für notwendig, uns zu helfen.“ Nachdem er das überlebte, fand er sich in einem Leichenberg wieder – die hat die Küstenwache auf ihn geworfen. „Ich bin nicht ertrunken, aber ich wäre fast im Leichenberg erstickt.“ Seine Weggefährten, die ihm zuhören, Geflüchtete aus Syrien und Palästina, kennen diese Erfahrungen.
Quer durch die Festung Europa – als Hochzeitsgesellschaft
Zusammen mit den anderen ProtagonistInnen des Films Ahmad Abad, seiner Ehefrau Mona al-Ghabra, Alaa al-Din Bjermi und seinem 12jährigen Sohn Manar macht er sich nach Schweden auf, um dort Asyl zu beantragen. Kennengelernt haben sie sich in Italien. Dort trafen sie auch Gabriele del Grande, Khaled Soliman al Nassiry und Antonio Augugliaro, die eine Idee für einen Dokumentarfilm hatten, der eigentlich eine politische Aktion ist: Als Hochzeitsgesellschaft getarnt wollen sie von Italien über Frankreich, Deutschland (Zwischenstopp ist Bochum), und Dänemark nach Schweden, um dort Asyl zu beantragen.
Denn: „Welcher Polizist würde die Gäste einer Hochzeitsfeier nach ihren Papieren fragen?“ Von Anfang an nimmt das durch Crowdfunding finanzierte Filmprojekt die Perspektive der Geflüchteten ein, lässt sie mit ihrer Wut und Hoffnung zu Wort kommen. Politisches Engagement, wie man es sich öfters auf der Leinwand wünscht, ziviler Ungehorsam als Film – so kann ein Kino der Unterdrückten aussehen.
Die Hintergründe des Filmprojekts
Eine der bewegendsten Szenen entstand auf einem Gebirgszug an der italienischen Grenze, die von vielen Flüchtlingen passiert wird. Davon zeugen zumindest die Wände eines verlassenen Hauses mit etlichen Inschriften. Abdallah kritzelt die Zahl 250 an die Wand – so viele haben das Schiffsunglück vor Lampedusa überlebt. „Der Himmel gehört allen. Weg mit den Grenzen!“, fügt Tasnim Fared, die im Film die Braut spielt, hinzu.
Nach der Vorführung von „An der Seite der Braut“ im Bahnhof Langendreer war Tasnim Fared auch zu Gast, um bei der Veranstaltung von Pro Asyl und Adopt a Revolution über die Hintergründe des Filmprojekts und die aktuelle Situation Geflüchteter zu berichten – etwa wie Regisseur Gabriele del Grande Abdallah Sallam am Mailänder Bahnhof kennengelernt hat.
Der suchte dort nach einem Zug, der nach Stockholm fährt. Gabriele klärte ihn auf, dass es diesen nicht gibt. Gemeinsam schmiedeten sie die Idee einer „Hochzeitsreise“ und begannen mit dem Filmprojekt. Obwohl der italienische Staat sonst schon an der Küste hart gegen Flüchtlinge vorgeht, hielt sich die Polizei zurück, was das politische Filmprojekt angeht. „Wohl aus Angst vor moralischen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit“ wie Tasnim Fared erläutert.
In Italien ist der Film mittlerweile erfolgreich und zudem heißer Anwärter auf den italienischen Doku-Filmpreis. Die Ironie am Rande: Den Preis müsste der italienische Ministerpräsident übergeben. Schon dafür lohnt sich ziviler Ungehorsam.
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