Die Jahre nach 1945 waren in der Kultur in Deutschland vom Wieder- und Neubeginn geprägt, der Aufarbeitung der jüngsten Geschichte und der Orientierung am internationalen Kunstgeschehen. Realismus und Abstraktion standen zunächst gleichberechtigt nebeneinander, ehe die expressive und die „informelle“ Geste, der Tachismus und die lyrische Abstraktion sich als Avantgarden – vorerst – durchsetzten. Zur letzten Variante ist auch Rudolf Jahns (1896-1983) zu zählen. Vor dem Krieg war er innerhalb der konstruktiven Künstler aus der Region Hannover als poetisch stille Position bekannt geworden. Später geriet er in Vergessenheit – zu Unrecht, wie nun eine angenehm unprätentiöse Ausstellung im Osthaus Museum belegt. In seinen Bildern der Nachkriegszeit überführt Jahns das Konstruktive in einer erdig gedeckten, kaum farbigen Tonalität in langgezogene Fetzen, Balken und organische Flächen. Sich teils transparent, teils deckend überlagernd oder umspielend, aktivieren die Partien Zentrum und Rand. Fläche und Raum, Figur und Grund treten in einen dynamischen Dialog, der assoziativ noch die Strukturen der Wirklichkeit einbezieht. So finden sich subtile Anklänge an landschaftliche Situationen und Natur.
Jahns selbst betont in einzelnen Titeln die Rolle von Musik für seine Bildfindungen. Wie sehr er dabei eine authentische Handschrift besitzt, die aus dem Unbewussten schöpft, und doch in nachbarschaftlicher Beziehung zu etlichen Künstlern seiner Zeit steht, verdeutlicht nun die Präsentation in Hagen. Im Dialog mit Bildern etwa von Baumeister, Buchheister, Hartung und Fritz Winter wird erst recht klar, dass Jahns die akuten innerbildlichen Formfragen, übertragen in sanfte Schwingungen, transzendiert hat. Deutlich wird an dieser Stelle aber noch etwas ganz anderes. Auch diese Klein- und Mittelformate in ihrer zarten Farbigkeit, die wie für Kabinette geschaffen scheinen, „funktionieren“ in den beiden weiten und lichten Ausstellungssälen des Neubaus des Osthaus Museum. Hier entschleunigen sie alles Sehen und fokussieren den Blick. Eine gute, eine notwendige Ausstellung.
„Rudolf Jahns und die Kunst nach 1945“ | bis 7.2. | Osthaus Museum Hagen | 02331 207 31 38
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