Die sympathische Isländerin Emilia Torrini, die vor vier Jahren mit „Jungle Drum“ überraschend einen Nummer Eins-Hit in Deutschland landete, einen Nummer Eins-Hit für Kylie Minogue schrieb und auch noch den „Gollum’s Song“ in „Herr der Ringe“ sang, veröffentlicht mit „Tookah“ nun endlich ein neues Album. Torrini, ehemalige Mitstreiterin bei GusGus, wird zu ihrem Leidwesen immer wieder mit Björk verglichen, klingt aber auch auf ihrem neuen Album wesentlich ruhiger, ausgeglichener und luftiger. Elektronische und fast housige Arrangements finden jetzt aber auch bei ihr vermehrt Eingang in die Songs (Rough Trade). „Nobody Knows“, das neue Album von Willis Earl Beal, klingt wesentlich produzierter als der raue Vorgänger des ehemals obdachlosen Bluessängers. Glatt oder gar radiotauglich ist das aber noch lange nicht: Geisterhaft schichten sich die oft elektronischen Sounds um Beals emotionales Organ. Düsterer und eindringlicher Blues der Jetztzeit (XL).
George Evelyn alias Nightmares on Wax hat überhaupt keine Probleme, sein neues Album einfach „Feelin' good“ zu nennen. Die Vorgabe setzt er unbekümmert mit flockigen Downbeats, Soulsamples, Pianotupfern und Streichern um. Das kennt man so von ihm, und das geht dieses Mal meistens OK, ohne dass man vor lauter guter Laune ganz matschig in der Birne wird (Warp). Für das Album „II“ haben sich Apparat und Modeselektor ein zweites Mal als Moderat zusammengetan. Mal ist gerader, mal gebrochener Beat die Basis für die melancholisch-romantischen Tracks, die vielleicht etwas zu oft gehauchte Vocals und verrauschte Flächen als atmosphärischen Klebstoff einsetzen. Fürs Homelistening oder als elegante Hintergrundkulisse nächtlicher Hot Spots funktioniert das sicher ebenso gut wie Paul Kalkbrenners Romantiktechno (Monkeytown). Senkings „Capsize Recovery“ ist ein dunkler Monolith, der klingt wie ein immerwährender Dubstep-Bassdrop in Slowmotion, angereichert mit atmosphärischen Suspensesounds. Auf acht Stücken widmet sich Produzent Jens Massel der dunklen Seite der Ambientelektronik. Statt Tanzflächeneuphorie gibt es hier einen musikalischen Blick in den Höllenschlund (raster-noton).
Die kolumbianischen Meridian Brothers um Eblis Álvarez sind eine Sensation: Mit ihrer Mischung aus Latin-Sounds wie Salsa oder Cumbia, psychedelischen Elementen und experimentellen Sounds entfalten sie eine surreale tropische Stimmung. Nun erscheint erstmals eine Auswahl ihrer Stücke außerhalb Kolumbiens: „Devoción (Works 2005-2011) ist eine Compilation, die mit 12 Stücken eine Art „Best of ...“ ihrer ersten drei Alben ist (Staubgold). Aus Südafrika kommt die Band John Wizard um den Bandleader John Withers. Ihre Musik auf dem selbstbetitelten Debütalbum klingt wie ein fiebriger Mash-Up aus Afro-Sounds, westlichem Pop, Dub und gebrochener Elektronik. Vor allem Letzteres wird dazu geführt haben, dass das britische Elektroniklabel Planet Mu erstmals eine afrikanische Band gesignt hat. Das Frankfurter Label Analog Africa hat sich in den letzten Jahren vor allem mit liebevoll zusammengestellten Afro Funk-Compilations einen Namen gemacht. Mit „Afrobeat Airways 2“ setzen sie ihre vielversprechende Reise durch das Ghana der 70er Jahre fort. 13 upliftende, vom Highlife stark beeinflusste Funkstücke von Ebo Taylor und anderen findet man auf CD bzw. Vinyl, wie immer mit dickem Booklet ausgestattet (Analog Africa).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

All die Frauen und Prince
Zwei Musikbücher widmen sich Sex, Körper und Gender im Rock ‚n‘ Roll – Popkultur 06/20
Live und After-Life
Überirdische Reunionen und Rituale – Kompakt Disk 12/19
Original und Kopie - Fünfmal Pop-Auslese
Pop als Referenzmaschine – Kompakt Disk 08/19
Gegenwart und Vergangenheit
Neue Elektronik und ein Rückblick auf Woodstock – Kompakt Disk 07/19
Krautpop und Krauthop
Glänzender Pop und deutsche Reime – Kompakt Disk 05/19
Retrospektiven in Ton und Wort
1000 Jahre und ein halbes Leben Musik – Kompakt Disk 04/19
Klarer Kurswechsel
Wunderbar verschlungene Bandbiografien – Kompakt Disk 03/19
Zarte Kraft
Neue Musik aus Ghana und Mali und ein Buch über Nico – Kompakt Disk 02/19
Für die Bäume
Musik mit Naturassoziationen – Kompakt Disk 12/18
Zarte Geister und suizidaler Horror
Seelenzustände in Musikform – Kompakt Disk 10/18
Stadtmusik und Waldmusik
Von betörendem Rock und betäubendem Pop – Kompakt Disk 05/18
Sentimentale Jugend
Ambiente Klangwelten, kantiger Pop und ergreifende Vielgestaltigkeit – Kompakt Disk 04/18
Vom Olymp in den Hades
Planet of Zeus in Bochums Trompete – Musik 11/25
„Liebe auf den ersten Blick“
Sebastian Lang-Lessing ist neuer Generalmusikdirektor am Theater Hagen – Interview 11/25
Fluxus trifft Free Jazz
Konzertreihe Klangbilder im Kunstmuseum Bochum – Musik 11/25
Zu den Wurzeln des Punk
11. Electri_City Conference in Düsseldorf – Musik 10/25
Alle Fenster auf
Brown Horse in der Haldern Pop Bar – Musik 10/25
Nicht mehr wegzudenken
Das Wuppertaler Jazzmeeting 2025 – Musik 10/25
Im Rausch der unerhörten Klänge
Beyond Dragons im Dortmunder Domicil – Musik 10/25
„Das Streichquartett in die Zukunft führen“
Der Geiger Daniel Stoll über die Residenz des Vision String Quartets in der Tonhalle Düsseldorf – Interview 10/25
Der Klang verwüsteter Hotelzimmer
4. Formosa Bierfest auf der Essener Zeche Carl – Musik 09/25
Zu Gast mit Gästen
Die WDR Big Band in der Wuppertaler Immanuelskirche – Musik 09/25
Bis das Regime gestürzt ist
Mina Richman im Bochumer Bahnhof Langendreer – Musik 09/25
Brachiale Schönheit
Gaye Su Akyol in Duisburg, Suzan Köcher's Suprafon in Dortmund – Musik 09/25
Ohne Grenzen
74. Ausgabe der Konzertreihe Soundtrips NRW – Musik 09/25