„Reden, reden, reden – aber keiner machte was.“ Noch immer schüttelt Achim Rohde über die halbherzigen Planungen für ein sogenanntes NRW-Filmfestival den Kopf. „Die Zeiten, wo man für so ein schlichtes Konzeptpapier gleich öffentliche Gelder bekam, sind zum Glück vorbei. Das ist nach wie vor der entscheidende Unterschied: Die Leute, die Konferenzen und Präsentationen ansetzen, sind meistens nicht bereit, dann auch eigenes Geld zu investieren. Quatschen, rumrennen und Leute volllabern – das kann jeder. Aber ein solches Projekt zu starten und zu sagen, wir finanzieren das, und wenn ihr uns helft, wird es noch größer, und das dann über mehrere Jahre auch durchzuhalten – das tun die ja alle nicht.“ Achim Rohde ist kein Quatscher. Achim Rohde ist ein Macher. In diesem Sinne initiierte er als Veranstalter des Köln ComedyFestivals im letzten Jahr Deutschlands erstes Comedy FilmFestival. Klassisch strukturiert wurde ein buntes Spektrum an Filmen gezeigt, das den Humor anderer Länder auf die deutsche Leinwand holte. Nun schreiben wir das Jahr Zwei, und die Veranstalter haben aus den Erfahrungen des ersten Jahres gelernt: „Die erste Konsequenz ist, dass wir die Anzahl der Filme, die in Originalsprache laufen, ein wenig heruntergefahren haben zugunsten von Filmen, die mit deutschen Untertiteln oder in englischer Sprache laufen“, sagt Rohde. Das Festival kooperiert dazu mit dem digitalen Fernsehprogramm ARD EinsFestival. Der darf etwa ein Dutzend der Filmbeiträge leicht zeitversetzt zur Primetime ausstrahlen und liefert im Gegenzug die Untertitelung. Eine ungewöhnliche Kooperation zwischen Kino und Fernsehen, die aber beiderlei Parteien und deren Publikum Vorteile bringen dürfte. Rohde: „Das Kölner Festival ist damit schlagartig bundesweit präsent.“ Auffälligste inhaltliche Änderung: Die sechs Filme, die im Wettbewerb gegeneinander antreten, entspringen weniger exotischen Ländern als beispielsweise im letzten Jahr noch der verschrobene thailändische „Holy Man“. Diesmal tummeln sich hier überwiegend Komödien, die, tendenziell kommerzieller ausgerichtet, den westlichen Humor bedienen. „Wir haben im letzten Jahr gesehen, dass die Filme noch zu weit auseinander lagen“, erklärt Rohde. „Jetzt ist die Vergleichbarkeit größer.“ Dabei bleibt augenfällig, dass der Wettbewerbsblock auch auf Starkino setzt (Diane Keaton, Ian Glen, William Baldwin, Katie Holmes, Simon Pegg). „Die Wettbewerbsfilme haben noch ein Potential, ins Kino zu kommen.“ Komödien also mit Zugpferdcharakter. Auch für die Landesregierung und die Stadt Köln, die über das Festival (und die TV-Auswertung mit Köln-Stempel) eine attraktive Standortkommunikation zu erkennen glauben. Entsprechend fällt hier die finanzielle bzw. werbeunterstützende Beteiligung aus. Auch wenn der Wettbewerb auf Kosten der Außenseiter als Offerte an die großen Verleiher verstanden werden kann, um damit vielleicht in Zukunft auch Prominenz in die Domstadt zu locken – selbst Mainstream bleibt legitim, wenn man sich die Selection-Reihe anguckt: Hier hat das Team eine bewährte, kunterbunte Spaß-Mischung zusammengestellt, die sich über die Kontinente und die unterschiedlichsten Humorgefilde dieser Erde erstreckt. Kriterium in diesem Fall war, abgesehen von einem gewissen technischen Qualitätsstandard, der Inhalt. Das Programm verspricht insgesamt eine Vielzahl an originellen, inspirierten und abwechslungsreichen Ideen, die sympathisch aus dem Leben gegriffen ihre mal lebensnahen, mal surrealen Geschichten spinnen. Wir begleiten einen Chilenen bei seiner Space Odyssee („Chile Puede, Atacama – Space Oddity“), ein türkischer Filmfreak gerät zwischen die Realitätsebenen („Gravity Zero“), und eine Handvoll Spanier bilden einen Selbstmörder- Club („El Club de Los Suicidas“). Andere sind der Welt schlicht hilflos ausgeliefert wie Knöllchenschreiber Andrew („The Delicate Art of Parking“ aus Kanada), der nette Todd, den auf einmal alle für schwul halten („Coffee Date“, USA) oder Wladimir, den plötzlich aus unerfindlichen Gründen jeder töten will („Malta con Huevo“, Chile). Doch es geht nicht nur turbulent zu, sondern auch mal melancholisch („Duska“ aus den Niederlanden) oder berührend lebensnah („Hula Girls“, Japan). Vor allem aber stößt man auf Außenseiter und Loser, die in der Not erfinderisch werden und ungeahnte Talente in sich entdecken: Ein gescheiterter Autor entdeckt seine Begabung als Dieb („Skills like this“, USA), ein erfolgloser Musiker schlüpft in die Rolle einer Romanfigur („Who is KK Downey“, Kanada). Sympathische Loser verlaufen sich auch in die kleine Dokumentarfilm- Reihe: „Confessions of a Superhero“ begleitet Typen aus L.A., die in Superheldenkostümen vor dem Chinese Theatre posieren und sich gegen Bezahlung fotografieren lassen. Dabei verlieren sie auch gern mal den Bezug zur Realität. „Quantum Hoops“ erzählt von einem USUniversitäts- Basketballteam, das seit über 20 Jahren nie gewonnen hat, bis ein neuer Coach auf Intelligenz setzt. „Making Trouble“ portraitiert jüdische Stand-Up- Komikerinnen, „God Spoke“ begleitet den US-Komiker Al Franken, der smart die Bush-Regierung auseinandernimmt. Ins Programm aufgenommen wurden dank der gewachsenen Kontakte gleich drei deutsche Komödien. „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ mit Franz-Xaver Kroetz und Bully Herbig bildet als NRW-Premiere den Abschluss des Filmfestivals, „Morgen, Ihr Luschen“, der Ausbilder-Schmidt-Film, läuft als Preview. Ganz ohne deutsche Comedians kommt schließlich der dritte deutsche Beitrag aus: „Polska Love Serenade“, eine kleine Komödie, in der sich ein deutsches Pärchen in Polen zwischen Wodka und Vorurteilen verliert. Das Comedy FilmFestival verteilt sich nun über ganz Köln in sechs Abspielstätten, vom Cinedom über das Kölner Filmhaus, Metropolis, Cinenova bis hin ins Japanische Kulturinstitut und nicht zuletzt die Filmpalette, in der der Besucher wieder über TV-Beiträge aus aller Welt lachen darf. Neu ist auch ein Festivalpass, mit dem man sich für 15 Euro fünf Filme anschauen kann. „Das Problem ist, dass Filmkritiker und Filmfestivals einer Komödie kein Gewicht zutrauen“, zitiert Achim Rohde Doris Dörrie, wenn man ihn auf die Motivation für sein Comedy FilmFestival anspricht. „Das ist völlig falsch. Alle diese Komödien haben ein Gewicht.“ „Morgen, Ihr Luschen“ mag da vielleicht die Ausnahme bilden und vielmehr als Fankino punkten. Und was macht die Festivalbeiträge letztlich überhaupt kinoreif, Herr Rohde? „Die meisten Filme gibt es gar nicht auf DVD. Und der grundlegende Unterschied ist doch, dass, während man zu Hause bei einer Komödie vielleicht fünfmal schmunzelt, man im Kino zwanzigmal lacht.“
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