Glauben Sie an Schutzengel? Ich im Prinzip schon. Schutzengel passen auf, dass man sich nicht den Hals, sondern nur das Bein bricht, wenn man die Treppe runterstürzt, oder bringen einen dazu, mit ner Magendarmgrippe im Bett zu bleiben, anstatt bei Blitzeis auf den Straßen unterwegs zu sein. Als katholisch erzogenes Kind wusste ich immer um die Wichtigkeit des Schutzengels.
Immerhin hatte ich immer ne Zwei in Religion
Als ich später auf einem katholischen Mädchenlyzeum von unserem Religionslehrer, einem katholischen Geistlichen, zum ersten Mal begrapscht wurde, da hatte mein Schutzengel wohl gerade Pause. Oder er hat mit dem Schutzengel meines Religionslehrers gestritten, was wichtiger ist: dass der Lehrer davor beschützt wird, von der Schule zu fliegen, oder meine gerade erst knospenden Brüste vor den flinken Fingern des Lehrers zu schützen. Mein Schutzengel hat verloren. Aber immerhin hatte ich immer ne Zwei in Religion. Mein Schutzengel hatte noch etliche andere Anlässe, immer mal wieder ein Auge – oder beide – zuzudrücken.
Je kleiner die Flügel meines Schutzengels wurden, desto größer wurden meine Hände. Irgendwann habe ich dann meinen Schutzengel entlastet und Ohrfeigen verteilt, wenn ich sexuell belästigt wurde. Hat keinen Spaß gemacht. Hat aber geholfen. Oft – nicht immer. Manchmal musste ich mich danach dann beschimpfen lassen. Als frigide Zicke oder dämliche Emanze. Als frigide Zicke und dämliche Emanze bin ich dann in die Welt gestartet und habe mich weiter eifrig bemüht, meinen Schutzengel zu entlasten und auf mich selbst aufzupassen. Ich habe gelernt, nicht zu trampen, nachts nicht mit kurzen Röcken durch die Stadt zu spazieren, habe gelernt, dass man mit Sportschuhen schneller weglaufen kann als mit Pumps, und wäre ich Journalistin geworden, hätte ich sicherlich auch gelernt, dass man beim Interviewen bestimmter Machtböcke besser die Brüste zu Hause lässt. Aber dass ich jetzt als Frau auch noch lernen muss, mir im Falle einer Vergewaltigung meinen Standort gründlich auszusuchen, das finde ich schon sehr anspruchsvoll, sorry, lieber Schutzengel! Wenn du also mal wieder gepennt hast und es zu einer Vergewaltigung kommen sollte, so sollte ich mich als vom Schutzengel im Stich gelassenes Vergewaltigungsopfer auf keinen Fall in der Nähe eines Katholischen Krankenhauses vergewaltigen lassen.
Außer ich lasse mich von einem katholischen Geistlichen vergewaltigen. Der könnte mir ja beim Akt gleichzeitig die Beichte abnehmen, und ich könnte im Vorfeld schon mal das Einnehmen der „Pille danach“ beichten. Wenn er mir dann eine Bescheinigung mit auf den Weg gäbe, dass die Sünde schon gebüßt ist, dann könnte auch ein Katholisches Krankenhaus ... äh, Entschuldigung, dies sollte ja eigentlich ne Kolumne werden ... ist nicht richtig lustig, finden Sie? Kein Wunder. Was haben Sie denn von einer frigiden Zicke erwartet.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Unter Kontrolle
Kindheit zwischen GPS-Tracker, Playdates und Bildungsauftrag in der Kita – THEMA 09/15 WELTENKINDER
„Man kann nicht alles an einem Kind verderben“
Pädagogin Lisette Siek-Wattel über Kindheit heute, Werte und Toleranz – Thema 09/15 Weltenkinder
Angst essen Werte auf
Die Politik hat den Eltern den Glauben an die Herzensbildung ausgetrieben – Thema 09/15 Weltenkinder
Hohles Kindeswohl
Die körperliche und seelische Unversehrtheit von Kindern ist nach wie vor bedroht – THEMA 03/13 SCHUTZBEFOHLEN
„Wir wollten die Auswirkungen des Zölibats erforschen“
Christian Pfeiffer über das schwierige Verhältnis zwischen Kriminologen und Klerikalen – Thema 03/13 Schutzbefohlen
„Täter gibt es überall“
Martina Niemann über die Arbeit des Kinderschutz-Zentrums Dortmund – Thema 03/13 Schutzbefohlen
Grüße aus der Wahrnehmungslücke
Wie das Projekt „geRECHT in NRW“ eine Essener Heimeinrichtung veränderte – Thema 03/13 Schutzbefohlen
Ich, Menschenfeind
Intro – Mehrheiten und Wahrheiten
Die Unfähigkeit der Mitte
Teil 1: Leitartikel – Der Streit ums AfD-Verbot und die Unaufrichtigkeit des politischen Zentrums
„Die Chancen eines Verbotsverfahren sind relativ gut“
Teil 1: Interview – Rechtsextremismus-Forscher Rolf Frankenberger über ein mögliches Verbot der AfD
Antifaschismus für alle
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Bochumer Antifa-Treff
Hakenkreuze auf dem Schulklo
Teil 2: Leitartikel – Wo Politik versagt, haben Rechtsextremisten leichtes Spiel
„Man hat die demokratischen Jugendlichen nicht beachtet“
Teil 2: Interview – Rechtsextremismus-Experte Michael Nattke über die Radikalisierung von Jugendlichen
Zwischen Krawall und Karneval
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Bereich Gegenwart im Kölner NS-Dok klärt über Rechtsextremismus auf
Faschismus ist nicht normal
Teil 3: Leitartikel – Der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft – und was dagegen zu tun ist
„Radikalisierung beginnt mit Ungerechtigkeitsgefühlen“
Teil 3: Interview – Sozialpsychologe Andreas Zick über den Rechtsruck der gesellschaftlichen Mitte
Nicht mit uns!
Teil 3: Lokale Initiativen – Das zivilgesellschaftliche Netzwerk Wuppertal stellt sich quer
Stoppzeichen für Rassismus
Die Bewegung SOS Racisme – Europa-Vorbild: Frankreich
Wenn dir das reicht
Demokraten und Antidemokraten in der Demokratie – Glosse
Kampf um Kalorien
Intro – Den Bach runter
Der Ast, auf dem wir sitzen
Teil 1: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger
„Extrem wichtig, Druck auf die Politik auszuüben“
Teil 1: Interview – NABU-Biodiversitätsexperte Johann Rathke über Natur- und Klimaschutz
Unter Fledermäusen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Arbeitskreis Umweltschutz Bochum
Keine Frage der Technik
Teil 2: Leitartikel – Eingriffe ins Klimasystem werden die Erderwärmung nicht aufhalten
„Klimakrisen sind nicht wegzureden“
Teil 2: Interview – Der Ökonom Patrick Velte über die Rückabwicklung von Nachhaltigkeitsregulierungen