Haben der störrische, mit diversen Skandalgeschichten dekorierte Gérard Depardieu und seine sechs Jahre jüngere deutsche Kollegin Corinna Harfouch etwas gemeinsam? Vielleicht das: In dieser Woche tauchen beide in zunächst spröde, aber im Grunde ihres Herzens gutmütige Figuren, die sich mit dem Nachwuchs und einer Zeit, die nicht mehr die ihre zu sein scheint, herumschlagen wollen oder müssen. Depardieu mimt einen ruhigen Schachlehrer, Harfouch eine selbstgerechte Mutter.
Mit seinem Vater Nura (Mizanur Rahaman) flüchtet der achtjährige Fahim nach Paris. Ohne Geld, ohne vernünftige Papiere, ohne die Sprache zu verstehen, ohne Arbeit. Nura hat nur einen konkreten Plan: Für Fahim findet er den nächstbesten Jugendschachclub, eine bunte Handvoll Kinder, die vom gescheiterten Meisterspieler Sylvain (Gérard Depardieu) trainiert werden. In Zeiten nicht endender Flüchtlingskontroversen ist die wahre Geschichte von Fahim Mohammad, der 2008 mit seinem Vater aus Bangladesch floh, eine Feelgood-Story, die praktisch nach Kino schreit. Nachdem Fahims Vater den Antrag auf politisches Asyl gestellt hatte, lebten beide für Jahre in Heimen und auf der Straße, jederzeit in Gefahr, abgeschoben zu werden. Zwischenzeitlich fand Fahim zum Schachclub und traf dort Trainer Xavier Parmentier, der ihm Mentor und Retter wurde und dem der Film gewidmet ist. 2012 bestand Fahims letzte Chance auf Bleiberecht in der Schachlandesmeisterschaft der unter Zwölfjährigen, die er tatsächlich gewann. Seitdem darf der Junge sich im Land aufhalten, die Familie konnte nachkommen. Bis heute hofft er auf seine Einbürgerung. Bevor Parmentier 2014 starb, konnte er Fahims Geschichte noch gemeinsam mit Sophie le Callennec im Roman „Spiel um dein Leben, Fahim!“ aufschreiben, der Regisseur Pierre François Martin-Laval („King Guillaume“) als Grundlage diente. Vom Originaltitel „Fahim“ ins deutsche „Das Wunder von Marseille“ übersetzt, überzeugt Martin-Lavals Sozialdrama vor allem mit seinem unsentimentalen Grundton, trockenem Witz und zwei Hauptdarstellern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Gérard Depardieu nimmt sich auffallend zurück und ersetzt Pathos durch warmen Humor. Noch dazu hatte er lange keinen besseren Partner als den kleinen Assad Ahmed, der Fahim spielt, selbst aus Bangladesch stammt und erst während des Drehs Französisch lernte.
Lara (Corinna Harfouch) wird sechzig, doch ihr Sohn Viktor (Tom Schilling), der am Abend sein Debüt-Konzert feiert, meidet die Begegnung. Zu tief sitzt die Angst vor den Urteilen der selbstgerechten Mutter, die Viktor regelmäßig in Selbstzweifel treiben. Lara sucht dennoch die Begegnung. Mit dramatischen Folgen. Wie schon in seinem Debüt „Oh Boy“ gelingt Jan-Ole Gerster in „Lara“ ein stimmungsvolles, auf einen Tag verdichtetes Drama, in dem Vergangenheit und Gegenwart kulminieren – und eskalieren. Dramaturgisch und inszenatorisch ist Gerster noch einmal gereift. Sein Blick kredenzt wundervolle Augenblicke, stiller Schmerz paart sich mit bitterbösem Dialogwitz und Corinna Harfouch spielt ihre verlorene Lara betörend zwischen mütterlicher Fürsorge und tragischem Versagen.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Die vier Dokumentationen „Human Nature: Die CRISPR Revolution“, „Marianne & Leonard - Words of Love“, „2040 - Wir retten die Welt“ und „Nur die Füße tun mir leid“. Dazu starten Peter Thorwarths Serien-Reboot „Der letzte Bulle“, Ruben Fleischers Untoten-Sequel „Zombieland: Doppelt hält besser“, Roland Emmerichs Kriegsfilm-Update „Midway - Für die Freiheit“ und Michele Soavis Weihnachrsabenteuer „Unsere Lehrerin, die Weihnachtshexe“.
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