Große Kunst wird zum gesellschaftlichen Ereignis: Zum Namenstag von Kaiser Franz versammelt sich am 5. Oktober 1762 der Wiener Hofstaat zu einer illustren Premiere. Christoph Willibald Gluck, damals schon ein europaweit berühmter Komponist, dirigiert seine neueste Oper, „Orfeo ed Euridice“. Die Musik und das Libretto des Italieners Ranieri de‘ Calzabigi versprechen Aufsehen erregende Neuerungen. Der Tänzer Gasparo Angiolini, einer der bedeutendsten Choreografen des 18. Jahrhunderts, gestaltet die Ballettszenen, die dem Tanz eine neue, unverzichtbar mit der Szene verbundene Rolle zuweisen sollen. Und mit Gaetano Guadagni steht als mythischer Sänger Orpheus ein Alt-Kastrat auf der Bühne, der sich schon bei Georg Friedrich Händel in London und an führenden Opernhäusern in Italien Ruhm ersungen hatte.
Glucks Oper soll nun auch im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen zum Ereignis werden: Als Einheit von Gesang, Drama und Ballett kommt Glucks bekanntestes Werk mit dem Schwerpunkt auf dem Ausdrucksspektrum der Körpersprache auf die Bühne. Denn Glucks Partitur enthält außer seiner wohl berühmtesten Arie („Ach, ich habe sie verloren“) Ballettmusiken wie den „Furientanz“, den „Reigen seliger Geister“ und ein Divertissement (Balletteinlage) am Ende, das den Sieg Amors über die Macht des Todes feiert. Konzipiert sind sie nicht als Einlagen, sondern als integrale Bestandteile der Handlung.
Giuseppe Spota zeichnet für die Inszenierung verantwortlich. Der seit 2019 amtierenden Direktor der MiR Dance Company gestaltet auch Bühne und Kostüme, hat also die Chance, eine Aufführung aus einer einheitlichen künstlerischen Idee heraus zu entwickeln. Am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen steht der Erste Kapellmeister Giuliano Betta; Alexander Eberle studiert den Chor ein, dem ebenfalls eine tragende Rolle zukommt im Sinne des von Gluck angestrebten Rückgriffs auf antike Traditionen. In den Titelrollen sind der Mezzosopran Constanze Jader und die Sopranistin Heejin Kim zu hören. Tamina Biber singt den Gott Amor, der schon im ersten Akt den um seine verstorbene Gattin trauernden Orpheus in die Unterwelt schickt und am Ende durch sein Eingreifen die endgültige Trennung des Paares verhindert.
Orpheus und Eurydike | 6. (P), 14., 18.12., 3., 25.1., 6., 22.2., 4.4. | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | 0209 409 72 00
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