Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.558 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Anton Henning, Großes 3-teiliges Stillleben No. 1, 2014, 140x120 cm
© A. Henning, Kunsthalle Recklinghausen

Malen wie der Teufel

30. März 2017

Anton Henning in Recklinghausen – Ruhrkunst 04/17

Was für ein Plädoyer für die Malerei, für ihre unverbrauchte Frische, für ihre Treue zur Tradition und ihre freche Bilderstürmerei! Anton Henning, geboren 1964, der als Maler und Installationskünstler seit langem schon für Aufsehen sorgt, liebt es theatralisch und feierlich. Die Bilder sind in ein tiefes Braun getaucht, teils umfasst von schweren Rahmen und zu sinnstiftenden Gruppen zusammengefasst. Die Säle in der Kunsthalle Recklinghausen sind verdunkelt, nur einzelne Strahler „erhellen“ sie mit Lichtkreisen, die an Heiligenscheine erinnern. Für zusätzliches Schimmern im Raum sorgen Lampenschirme und Leuchttische, auf denen Zeitungsseiten mit handschriftlichen Notizen liegen. Damit verleiht Henning der Ausstellung streckenweise den Charakter einer Studierstube im Verborgenen.

Solche Anspielungen auf Vergangenheit, Geschichte und Kunsthistorie, die plötzlich ins Doppelbödige, auch Humorvolle kippen, gehören überhaupt zum Repertoire von Henning. Dies gilt auch für die Anordnung zu Sequenzen und die Variation der Motive. In der Recklinghäuser Ausstellung betrifft dies vor allem die (so auch betitelten) Porträts, neben denen noch Stillleben zu sehen sind. Sie paraphrasieren oft die Kunstgeschichte, etwa die Altdeutsche Malerei, Matisse, Picabia oder Bacon. Eine verzwirbelte Ahnengalerie der Simpsons ist nahtlos integriert. High und low prallen kontrolliert aufeinander, ebenso wie das Edle, Krude und Abwegige zusammenwirken.

Das funktioniert über ornamentale Verschlingungen und Längungen hin zu Bandwürmern mit Knopfaugen oder Zersplitterungen der Form in die Bildtiefe hinein und doch immer den Aspekt der Augentäuschung betonend. Malerei ist Illusion, sie ereignet sich auf der Fläche und ist schließlich eine Frage des Glaubens, und das ist in dieser Ausstellung sowieso nicht so verkehrt. Schließlich bleibt der Blick auf dem Porträt von Martin Luther hängen, nach dem berühmten Gemälde von Lucas Cranach, dem großen Reformator mit seinen 95 Thesen. Von daher ergibt sich sehr plausibel der Titel der Ausstellung: „95 hypermanische Paraphrasen“: Exzellent!

„Anton Henning – 95 hypermanische Paraphrasen“ | bis 17.4. | Kunsthalle Recklinghausen | 02361 50 19 35

Thomas Hirsch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Challengers – Rivalen

Lesen Sie dazu auch:

Im Herzen des Bunkers
Marianne Berenhaut in Recklinghausen – Ruhrkunst 09/23

„Reaktionen auf Architekturen der Unterdrückung“
Museumsdirektor Nico Anklam über Ângela Ferreiras Kunst in Recklinghausen – Sammlung 06/23

Aus dem Eis
Video-Installationen aus Spitzbergen in Recklinghausen – Ruhrkunst 03/23

„Ich bin Freund der reduzierteren Ausstellungen“
Nico Anklam über „Anders als es scheint“ in Recklinghausen – Sammlung 12/22

Wenn das Bunte unheimlich wird
Flo’s Retrospektive in Recklinghausen – Kunstwandel 06/22

„Sichtbarkeiten für Künstlerinnen schaffen“
Direktor Nico Anklam über Flo Kasearus Retrospektive in Recklinghausen – Sammlung 04/22

Die Fläche aus Papier
Der Kunstpreis junger westen in Recklinghausen

Hinterfragung der Wissenschaft
Mariechen Danz in Recklinghausen – Kunstwandel 07/21

Das Zittern der Punkte
Kuno Gonschior in Recklinghausen – Kunstwandel 10/20

„Farbe zu sehen, sollte zu einer Erfahrung werden“
Kunsthallen-Direktor Dr. Hans-Jürgen Schwalm über Kuno Gonschior – Sammlung 09/20

Verlauf der Linie
Monika Brandmeier in Recklinghausen – Ruhrkunst 11/19

Patina der Politik
Penny Hes Yassour in Recklinghausen – Ruhrkunst 06/19

RuhrKunst.

Hier erscheint die Aufforderung!