„Die Kenntnis der Klassik und Romantik macht noch keinen guten Verleger aus“, bekennt Reinhold Neven Du Mont zu Beginn der Vorstellung seines autobiographischen Werks „Mit Büchern und Autoren – Mein Leben als Verleger“ am 2. Mai im Herner Literaturhaus. Seine besonderen verlegerischen Fähigkeiten hat der langjährige Inhaber des Verlagshauses Kiepenheuer & Witsch eindrucksvoll bewiesen: Nach seinem Entrée als Schwiegersohn und Assistent der Kölner Verlegerpersönlichkeit Joseph Caspar Witsch 1963 wird er mit 33 Jahren zum seinerzeit jüngsten Verleger der Republik. „Man lernt an den großen Erfolgen, aber auch an den Niederlagen“, bilanziert Neven Du Mont den nicht immer einfachen Weg zum Erfolg im Gespräch mit seinem von 1984 bis 2014 im Verlag tätigen Kollegen Reinhold Joppich, der diese Liaison als „längste Ehe meines Lebens“ bezeichnet.
Nach dem Tod des Schwiegervaters 1967 bis zum Jahr des Verlagserwerbs 1969 schwebt die verlegerische Perspektive am seidenen Faden – hängt doch ökonomisch vieles davon ab, ob die von Witsch zur Schriftsteller-Ikone aufgebaute „Schlüsselfigur“ Heinrich Böll dem Kölner Familienunternehmen die Treue hält oder Abwerbungsversuchen der Konkurrenz nachgibt. Aber Böll, dem 1972 der Literatur-Nobelpreis zugesprochen wird, bleibt – und zudem hat Neven Du Mont den Mut, Kiepenheuer & Witsch „in Zeiten des Aufbruchs“ politisch zu einem neuen Gesicht zu verhelfen, indem er einen seinerzeit so umstrittenen Autor wie Günter Wallraff mit ins Boot holt. Wallraff, so konstatiert Heinrich Böll, nehme unter den in der BRD publizierten Autoren „eine Sonderstellung“ ein, indem er in jeder seiner Veröffentlichungen „Herrschaft entlarvt“. Zudem gelingt Neven Du Mont gleich zum Start ein weiterer Glücksgriff: 1970 verlegt er „Hundert Jahre Einsamkeit“, die Übersetzung des den südamerikanischen 'Magischen Realismus' popularisierenden Romans von Gabriel García Márquez. Zwölf Jahre später wird der Kolumbianer ebenfalls mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Augenzwinkernd anekdotisch und atmosphärisch anschaulich beschreibt Reinhold Neven Du Mont, mit „Die Villa“ (2009) und „Der Maskensammler“ (2011) inzwischen selbst zum Romancier avanciert, weitere Stationen seiner verlegerischen Vita. So berichtet er von einer obskuren Begegnung mit dem damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt, der 1972 eines Abends plötzlich im Vorgarten auftaucht – just nach der Publikation des politisch gewagten „Schwarzbuchs“ über die Machenschaften des früheren Amtskollegen Franz Josef Strauß. Das Ganze erweist sich als Verwechslung – eigentlich ist Schmidt an jenem Abend bei Reinholds Bruder, dem Zeitungsverleger August Neven Du Mont, eingeladen. Immerhin kann Reinhold dem Minister noch ein Exemplar des „Schwarzbuchs“ mit auf den Weg geben…
Ein weiterer Meilenstein ist 1985 der Verkauf von rund drei Millionen Exemplaren von Günter Wallraffs Enthüllungsreportage „Ganz unten“ innerhalb weniger Monate. Das im Jahr darauf verfilmte Werk über die menschenunwürdige Ausnutzung migrantischer Arbeitskräfte in der Schwerindustrie liefere aus Sicht von Neven Du Mont den Beweis, dass Bücher dazu beitragen können, eine soziale Gemengelage zu verändern. Selbst eine Klageflut kann daran im konkreten Fall nichts ändern.
Auch über seine bis 2001 betriebene verlegerische Tätigkeit bei Kiepenheuer & Witsch hinaus tritt Reinhold Neven Du Mont weiterhin als Literaturpionier seiner Heimatstadt in Erscheinung: So gehört er zum Gründerkreis des 1996 ins Leben gerufenen Literaturhauses Köln und bleibt bis 2003 dessen Vorsitzender. Zudem blickt die Stadt mit der lit.Cologne auf eine inzwischen 15-jährige Erfolgsgeschichte zurück, die ein Verlag wie Kiepenheuer & Witsch entscheidend mitgeprägt hat. Ein Patentrezept für den verlegerischen Erfolg hält aber auch Neven Du Mont nicht bereit. Im Gegensatz zu heute sei es 1969 noch möglich gewesen, „für eine relativ überschaubare Summe einen Verlag zu erwerben“. Neben viel Mut gehört eben immer auch etwas Glück zum Erfolg dazu.
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