Es sind nur zwei blaue Häkchen, die da auf dem Touchscreen aufleuchten. Und doch werfen sie eine Menge Fragen auf: Er hat meine WhatsApp-Nachricht gelsesen – warum antwortet er nicht? Will er nichts mehr mit mir zu tun haben? Habe ich was Falsches geschrieben? Auch der Ich-Erzähler in Lukas Verings Kurzgeschichte „Ich folge dir“ kämpft mit diesem neuen, digitalen Geist zwischenmenschlicher Entfremdung. „Deine zwei Haken verraten dich […] Nur ein einziger Click und ein bisschen Scrollen und mein Gedächtnis ist wieder aufgefrischt.“ Es bleibt nur die Erinnerung an das Verhältnis zuvor, in der Verings Erzähler schwelgt: Irgendwann kamen die Ausreden, nur unterwegs zu sein, dann das Wischen über das Smartphone: gelesen, ignoriert, abgehakt – ein Phänomen, das Hobbysoziologen bereits als Ghosting bezeichnen: Man beendet die Beziehung, ein loses Verhältnis, indem man sich stumm wie ein Geist aus dem Leben des anderen Menschen davonschleicht.
Bühne für die Nicht-GewinnerInnen
Lukas Vering kennt diesen neuen, digitalen Zeitgeist. Der 27-jährige ist als Redakteur eines Stadt-Magazins tätig. „Ich arbeite dort lustigerweise in der online-Redaktion“, erzählt er. „Ich sehe da auch, was junge Leute bei Facebook und so weiter machen, was ich teilweise gruselig finde.“
Gesellschaftliche Fragen, die er auch in anderen eher dystopischen ScienceFiction-Geschichten gerne aufgreift: „Wie wird Technologie unser Leben verändern?“ Doch Lukas Verings Text ist nur einer von vielen überzeugenden Beiträgen, die im letzten Jahr beim LesArt.Preis der jungen Literatur leer ausgegangen sind. Gewonnen hat die Auszeichnung für NachwuchsautorInnen im November 2015 Tobias Kreutzer für seinen Text „Spektralfarben“. Doch sei es letztendlich ein harter Wettbewerb gewesen, in dem es auch der Jury schwer fiel, eine Entscheidung zu treffen, so Mitjuror Klaus-Peter Sachau, der durch den Leseabend moderierte. Dieser sollte im Literaturhaus den Beiträgen eine Bühne geben, die nicht gekürt wurden. Lesen ohne Wettbewerbszwang.
Schule der Affen
Das tut an diesem Abend auch Lavinia Bugday. In ihrer schönen Coming-of-Age-Story erzählt sie von einer jugendlichen Dreisamkeit im meist verwaisten Elternhaus der Freundin ihrer Ich-Erzählerin. „Es heißt nicht einfach zu sagen, wir waren uns gegenseitig Eltern“, erinnert diese sich melancholisch an die Freundschaft während des Erwachsenwerdens. „Wie wir damals mit unserem Lachen die Einsamkeit vertrieben, die wir mitbrachten.“
Über ihre Schulzeit produzierte auch Sabrina Betschke ein kleines Stück Literatur mit dem Titel „Der Trick mit dem Blütenstaub“ – eine feine Parabel, in der kleine Affen die menschliche, schnelllebige Leistungsgesellschaft nachäffen. „Ich beobachte viel und schreib das dann auf“, erzählt sie von ihren allzumenschlichen Beschreibungen, die sie vor allem noch in der Schule einfangen habe. „Das war eine Zeit, wo ich dachte, ich bin nur von Affen umgeben.“
Eine fast radikal-expressive Selbstverortung über Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsängste trägt schließlich die 15-jährige Lina Viernow mit ihrem Text „Unbewusst“ vor. Eine der vielen literarischen Lichtblicke und zugleich die erfreuliche Seite des Abends: Es gibt auch neue, junge und talentierte Geister der Literatur.
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