Man kennt fast nur die Bilder aus den Nachrichten, wenn ein weiteres Attentat Menschenopfer gefordert hat. Gibt es andere Bilder aus Afghanistan? Marc Fosters „Der Drachenläufer“ zeigte ein lebendiges, offenes, ja beschwingtes Kabul, wie es in den 70er Jahren, lange vor dem Bürgerkrieg, existiert hat. Das ist lange her. Der Film wurde 2007 nicht in Afghanistan, sondern in China gedreht. Solche Bilder kann man im heutigen Afghanistan nicht mehr drehen. Davor gab es jahrelang gar keine Bilder aus dem von den Taliban regierten Land. Der angeblich erste nach dem Sturz der Taliban im Land gedrehte Film ist „Obama“ von Siddiq Barmak. Er spielt noch während der Herrschaft der Taliban. Maßgeblich unterstützt wurde er bei seinem Film von dem bekannten iranischen Regisseur Mohsen Makhmalbaf. Dessen damals 22jährige Tochter Samira hat ebenfalls einen Film in Afghanistan gedreht – noch vor Barmak. Der mit Laiendarstellern agierende „At five in the Afternoon“ zeigte den Alltag im nach über zwanzig Jahren Bürgerkrieg verwüsteten Land. Die Taliban-Regierung hat es zudem zivilisatorisch in die Steinzeit zurückgeführt. Mohsen Makhmalbafs „Kandahar“, gedreht im Jahr 2000, ist wahrscheinlich eines der wenigen Zeugnisse aus dieser Zeit: ein Spielfilm, der zumindest in Teilen heimlich in Afghanistan gedreht wurde.
Das ist fast zehn Jahre her, und inzwischen darf man wieder Musik machen und filmen. Doch mit dem Sieg über die Taliban kamen andere Probleme. Die Nachrichtenbilder zeugen davon. Und seit einiger Zeit sind auch die Taliban wieder auf dem Vormarsch. Die Zukunft Afghanistans sieht düster aus. Wie es in der Gegenwart in Afghanistan aussieht, das zeigen die 28 Filme, die vom 23. bis 30. Oktober beim Afghanistan Filmfest im Filmhaus zu sehen sind. Überdurchschnittlich viele Dokumentationen sind darunter. Man hat das Gefühl, als bestünde überhaupt erst ein großer Bedarf an Bildern, bevor man sich daran machen könne, Geschichten zu erzählen.
Beeindruckende Bilder der wunderbaren Natur dieses Landes zeigt „The Boy who plays on the Buddhas of Bamiyan“ von Phil Grabsky. Ein Naturfilm scheint unangemessen, und natürlich – der Titel zeigt es schon – hat Grabsky keinen Naturfilm gemacht. Er zeigt das Leben in den Höhlen neben den von den Taliban zerstörten Buddha-Statuen im Tal von Bamia. Mehrere Generationen erzählen eindrucksvoll von den Ereignissen in Afghanistan seit dem Einmarsch der Russen 1979. Daneben sehen wir einen kleinen Jungen, wie er zwischen Spiel, Arbeit und Lernen ein Leben in diesem Land sucht. Die Hoffnung der Älteren für die Zukunft des Landes, das spürt man, ruht ganz auf dem Jungen. Eine schwere Bürde. Auf die Kinder blicken viele Filme. „Bulbul, the City Bird“ portraitiert Straßenjungen, die für wenig Geld Autos waschen, „Sahar, the young Carpet Maker“ begleitet eine junge Weberin. Der Spielfilm „Kabuli Kid“ erzählt von einem Taxifahrer, der ein Baby findet und daraufhin dessen Mutter sucht. Die Hoffnung liegt auf den Kindern – aber wer übernimmt die Verantwortung für sie, in diesem vom Krieg heimgesuchten Land? Regisseur Siddiq Barmak, der mit „Obama“ einen Golden Globe gewonnen hatte, wird auf dem Festival seinen neuen Film persönlich vorstellen: „Opium War“ erzählt ganz aktuell von den Konflikten mit den amerikanischen Militärs im Land. Es ist überraschenderweise eine Komödie – eine sehr schwarze.
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