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Ruhe nach dem Sturm: Der 6 ½ Stunden Poetry Slam ist zu Ende.
Foto: Ingmar Burmann

Kein Schwächeln auf den letzten Metern

12. Juli 2011

Die letzte halbe Stunde des 6 ½ Stunden-Slam-Marathons zur ExtraSchicht – Literatur 07/11

Hinter der Glaswand der Halle flattern bunte Tücher im Wind. Davor unterhalten unermüdliche Poetry Slammer. Auch sie schoben eine ExtraSchicht, bei der sie an der Bochumer Jahrhunderthalle einen 6 ½ Stunden Poetry Slam-Marathon veranstalteten. Von 18 bis 0 Uhr 30 texteten Lars Ruppel, Bo Wimmer, Torsten Sträter und das Team LMBN im 45 Minuten Poesie, 15 Minuten Pause-Rhythmus vor wechselndem Publikum. Entgegen der Ankündigung entfiel jedoch die Wettkampfkomponente und der Slam wurde zur Lesebühne. Ab Mitternacht gab es in der letzten halben Stunde Texte von Sebastian 23, Andy Strauß, Bo Wimmer und Mischa-Sarim Vérollet.

Schorsch spaltet den Chef


„Wir sind hier in der Dampfgebläsehalle“, stellt der moderierende Sebastian 23 fest. „Hier wurde Dampf geblasen… Eigenartig, aber vielleicht gab es ja irgendwo einen Absatzmarkt für geblasenen Dampf.“ Kurz würdigt er Lars Ruppels „Fist of Emotion“. Mit dieser Geste kann der Poet mit Zahl im Namen selbst Worten wie „Rechtschreibfehler in der Steuererklärung 2007“ hintergründigen Ausdruck verleihen. Er trägt ein Gedicht vor. Die lyrische Beschreibung eines alten Hauses in seiner Straße nimmt Bezug auf seine Ex-Freundin: Ziegel fallen vom Dach und die Fassade bröckelt ab. „Da will keiner mehr rein.“

Andy Strauß stellt sich seiner Müdigkeit und liest einen Text, der gerissen wie verstörend ist. Gerissen sogar wortwörtlich, spaltet Bauarbeiter Schorsch den ungeliebten Chef mit der Säge in zwei Teile. Die Vermutung, der Chef schlafe mit seiner Frau, reicht dafür aus. „Die Teile sehen aus wie menschliche Skier“, resümiert er seine Tat. Der folgt ein perfider Plan. Nachdem er die Haut des Chefs am Rücken zusammengenäht hat, steigt er in diese hinein und klebt sie vorne mit Gaffer Tape zu. „Beim Gesicht fehlen zwar die Augen, aber das ist nicht so schlimm, wir haben die gleiche Augenfarbe.“ In menschlicher Hülle verabredet er sich mit seiner Frau, als Beweis, dass sie fremdgeht. Doch beim Treffen stellt er fest, dass sie ihn so mehr liebt als als Schorsch. Das verlasst ihn dazu, die indirekte Beförderung, mehr Gehalt und das neue Haus anzunehmen und sich fortan als sein Chef auszugeben. Schorschs mysteriöses Verschwinden wurde nie aufgeklärt, seine Leiche nie gefunden…

Henne Ruth verweigert den Akt

Ganz im Gegenteil zu der von Henne Ruth aus Bo Wimmers „Tragödie vom romantischen Huhn Ruth“. Der Hahn des Biohofes droht, dafür zu sorgen, dass sie im Kochtopf lande, wenn sie im das Begatten verwehre. Ruth träumt davon, irgendwann einen Zuchtpreis zu erhalten und hat keine Lust auf den ewigen Trott aus „Picken und Ficken“. Schließlich ist Ruth „kein Huhn von der Stange“. Auf dieser verharrt sie in einem Sitzstreik, doch als der Bauer kommt, muss sie seinem Beil Tribut zollen. Die Henne landet im Suppentopf, neben dem Hahn, den der Bauer auch aussortiert hat. Ein romantisches Werk zu später Stunde.

Ein Ende findet die poetische Lesebühne mit dem abschließenden Kurztext von Mischa Sarim Vérollet. In diesem hat er vor, seinen kleinen Bruder Tim optisch umzugestalten. Pünktlich nach den Sommerferien solle er aussehen wie Tim von Tim und Struppi. Es wird rasiert, teilweise zu viel und Haarbüschel werden mit Sekundenkleber wieder befestigt. Zum Schulstart sieht Tim aus wie Tim. Doch dank seiner einschüchternden Größe kommt er spottfrei davon.

Davon kommen nach einem Vierteltag Poesie auch die verbliebenen Poetry Slammer und das Publikum. Moderator Sebastian 23 weist den Weg zur abschließenden Trommel- und Feuerwerks-Show auf der nahegelegenen Wiese im Westpark. Auch hier gab es eine beeindruckende Darbietung. Worte wichen Funken, die gen Himmel flogen. Eine effektvolle Erinnerung an die zweite Geste aus Lars Ruppels Repertoire: „Touch the horizon“.

Ingmar Burmann

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