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Andy Strauß begeisterte mit verstörenden wie schrägen Slam-Texten
Foto: Benjamin Trilling

Entlang der Gürtellinie

17. März 2014

Slam-Lesebühne im domicil am 13.3. – Literatur 03/14

So eine Meldung musste ja in der Stadt des deutschen Vizemeisters ausgeschlachtet werden. Andy Strauß hakte bezüglich der Nachricht von Uli Hoeneß‘ Haftstrafe nach, wer denn im Publikum das Urteil als positiv bewerte. Auch die Literatur greift Themen der Philosophie der Gerechtigkeit auf – und lebt sie als Spaßperformance aus. Unter den anwesenden DortmunderInnen herrschte Konsens: Das Urteil ist gerecht. Aber Strauß, NRW-Landesmeister im Poetry-Slam 2011, sprach ein unvorstellbares bis grauenvolles Szenario an: Was, wenn Herr Hoeneß Manager des BVB gewesen wäre? Sei das Urteil dann auch gerecht? Jetzt gingen nur noch vereinzelt Hände hoch – wohl eine kleinmütige Diaspora angereister GelsenkirchenerInnen.

Die Krim ist für'n Arsch

Jedenfalls war diese Interaktion mit dem Publikum eine Steilvorlage für die Erklärung der zweiten wichtigen Nachricht des Abends: LMBN-Kader Sebastian 23 konnte aufgrund der Hinterziehung von ungefähr 27 Cent im Zigaretten- und Zigerattenautomatenhandel leider nicht anwesend sein. Seine Kollegen fügten hinzu, dass dadurch die Kontrollinstanz an diesem Abend fehle: „Man merkt, dass wir uns ohne Sebastian viel freier ausleben. Hauptsache, er erfährt es nicht“, reflektierten die Slammer ironisch. Während des Plauschs wurde den Künstlern Bier auf die Bühne gebracht. Neben dem kabarettistischen Frontalspaß gab es aber auch noch Einiges an Slammaterial zu verlesen.
Sulaiman Masomi, 2013 Poetry-Slam-Landesmeister NRW, machte den Anfang. Für Katastrophen aller Art gibt es einen Masterplan. Wofür es hingegen keinen Masterplan gibt und was einem apokalyptischen Super-Gau nahekommt, ist die Facebook-Freundschaftsanfrage der Mutter. Dieses Szenario ist umso brenzliger, wenn man sich selbst auf dem Profilfoto der Mutter erblickt – als stolz empor gehobener, neugeborener Nackedei. Darauf folgte Andy Strauß mit einer verstörend-zerfahrenen Performance über Perversionen. Daran schloss seine folgende Geschichte nahtlos an. In dieser greift sein lyrisches Ich aufgrund eines Klopapier-Notstandes auf die Krim-Karte eines Polit-Magazins zurück und stempelt dabei einen Gorbatschow-Leberfleck auf die Stirn Putins.

„The girl with the magic...Blick“

Der Hip-Hop- und Slampoet Quichotte, der als Freelance-Gast und Ersatz für Sebastian 23 auftrat, bescherte mit einem Improvisationsrap das Highlight der zweiten Runde: Der Live-Illustrator FastArt gab die Worte vor, der Rapper griff diese rhythmisch auf. Misha Anouk philosophierte hingegen über die Coming-of-Age-Geneaologie der Masturbation. Nach Zureden des Vaters wird in seinem Slamtext fleißig und dialektisch spekuliert: Mit welcher Technik ist es keine Masturbation mehr? Letztendlich muss der Teddybär herhalten: „Wäre das jetzt ein Buch und meine Eltern würden das lesen, würden sie es spätestens an dieser Stelle zuschlagen – und den alten Teddy wegschmeißen.“, reflektierte der Künstler über das Vorgetragene. Sulaiman Masomi trug einen Love-Song in einer Performance à la Helge Schneider vor. Sein schräger Refrain war der Running-Gag des Abend: „The girl with the magic Blick.“

Wenn Andy Strauß souverän einen Bierrülpser in die Slamlounge des domicil entlässt und die ästhetische Gravitationslinie an diesem Abend haarscharf entlang der Gürtellinie mäandert, tritt die Literatur in den Hintergrund und wird zu einer Ingredienz unter vielen. Heraus kommt ein Literatur-Event mit musikalischem wie burleskem Spaßfaktor.

Benjamin Trilling

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