Es liegt an dem Motto „Neue Prinzessinnen“, weswegen Moderatorin Sandra Da Vina nachhakt. Denn ja, in Heike Geißlers Roman „Die Woche“, den sie beim LiteraturSommerHellweg in Hagen vorstellte, finden „proletarische Prinzessinnen“ Erwähnung. Und zwar an einer Stelle, in der es um Zivilcourage, um Widerstand gegen rassistische, faschistische Personen wie Organisationen geht. Ihnen soll der Zutritt verwehrt, ein Hausverbot erteilt werden. Womit der öffentliche Raum, die Stadtgesellschaft gemeint ist, wie es im Roman heißt: „Unser Haus sind alle Außenräume, unsere Veranstaltung ist der Tag von null Uhr bis Mitternacht.“
So wird das Publikum am Wasserschloss Werdringen schnell entführt in dieser düsteren Welt, einer aus den Fugen geraten Zeit, von der Heike Geißler erzählt: eine Woche, die immer mit diesem Montag beginnt, dem Tag, an dem wie in einer Dauerschleife die Legida-Demonstrationen durch Leipzig ziehen. Diese beklemmende Stimmung und Atmosphäre waren auch ein Motiv, als Geißler ihren Roman schrieb. So verrät sie an diesem Sonntagmittag in Hagen: „Das hat mich alles überfordert und beängstigt. Diese Stimmung drang in unser aller Leben und Alltag ein.“
Neue engagierte Literatur
Doch es ist nicht nur dieser Rechtsruck, der in regelmäßigen Protestzügen durch die Stadt hallt. Zugleich ist es die Gentrifizierung Leipzigs, sie für die Ohnmacht der zwei Frauen sorgt, aus deren Perspektive Geißler erzählt. Zwar gibt es eine Icherzählerin, eine Mutter Mitte 40, Arbeiterkind und ehemalige DDR-Bürgerin, und eine Freundin namens Constanze. Eine ordnende, narrative Klammer fehlt jedoch.
Für das Manuskript ihres späteren Romanexperiments erntete Geißler beim Ingeborg-Bachmannpreis noch Kritik. Dabei können Leser:innen auf den knapp 300 Seiten regelrecht spüren, wie sich hier eine Autorin an eine neue Form der engagierten Literatur herantastet. Der Duktus wirkt mal stotternd, mal chorisch.
Smarter Protest
Den konkreten, gesellschaftlichen Hintergrund der Romanentstehung bildet eben der Herbst 2015, als sich in Deutschland rechte Aufmärsche formierten. „Der Text ist sehr mühevoll entstanden, was auch an der schrecklichen Zeit lag“ verrät Geißler über ihre experimentelle Erzählstrategie: „Im Kern geht es darum, gewisse Kontexte zu unterbinden und Dinge im politischen Alltag zu stören.“
Dafür findet Geißler einen märchenhaften Sound, der einerseits an den magischen Realismus erinnert; andererseits einen antiautoritären Gehalt streift. So sagt Constanze an einer Stelle: „Mein alter Gehorsam ist mein ganzer Besitz. Gehorsam, Scham, Angst, Enge. Die Aussteuerkiste der proletarischen Prinzessin.“ Sie und die Icherzählerin versuchen, diese festgefahrenen Strukturen schließlich hinter sich zu lassen: „Sie gehen den falschen Autoritäten auf den Leim, es geht um smarten Protest“, kommentiert Geißler die Zumutung, die Montagsproteste von 1989 rassistisch zu vereinnahmen, die Verdrängung durch Investoren und die stumme Gewalt der kapitalistischen Verhältnisse, die nicht zuletzt ihre alleinerziehende Protagonistin in die Ohnmacht drückt. Und so fügt Geißler über das Gebaren einen Satz an, der fast nach Adorno klingt: „Erziehung zur klugen Aufmüpfigkeit.“
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