Seit 1952 wird Agatha Christies gefeierter Whodunit-Krimi „The Mousetrap“ nonstop auf der Bühne im Londoner Westend gespielt und darf nicht verfilmt werden. Also schreibt der britische Drehbuchautor Mark Chappell das Script zu der Krimikomödie „See How They Run“ von Regiedebütant Tom George: Ein Whodunit rund um den berühmtesten Whodunit. London 1953: Leo Köpernick (Adrien Brody), arroganter und selbstverliebter Regisseur des Bühnenhits, ist drauf und dran, den Stoff fürs große Kino zu adaptieren, da stolpert er über die besagte Klausel und wird zu allem Überfluss auch noch – ermordet! Große Aufregung, und jede Menge Verdächtige auf und hinter der Bühne, unter ihnen der junge Richard Attenborough (Harris Dickinson) und „African Queen“-Produzent John Woolf (Reece Shearsmith). Zwei Polizisten betreten den Backstagebereich: Inspektor Stoppard (Sam Rockwell), erfahrener Routinier mit den Fahrgepflogenheiten eines Frank Drebbin („Die nackte Kanone“), und seine Assistentin, die überambitionierte Nachwuchsdetektivin Constable Stalker (wunderbar: Saoirse Ronan). Und damit ist die muntere Mörderjagd eröffnet. Whodunits à la Christie erfreuen sich wieder hoher Beliebtheit im Kino. „See How They Run“ setzt sich da nun sympathisch und originell drauf. Die Komödie bettet sich nicht nur anmutig und adrett ins historische Ambiente, es wird auch munter mit der Prominenz der Filmgeschichte kokettiert – und überhaupt mit allerlei Formaten und Verweisen, mit denen sich hier Theaterbühne und Leinwand duellieren.
Forst-Praktikantin Anja ist an den abgelegenen Ort zurückgekehrt, an dem vor 20 Jahren ihr Vater spurlos verschwunden und nie wieder aufgetaucht ist. Obwohl sie im Wald nur Bodenuntersuchungen vornimmt, schlägt ihr von Seiten der Dorfbevölkerung offene Ablehnung entgegen. Was wird hier geheim gehalten? Wolfram Fleischhauer hat seinen eigenen Roman für die Leinwand adaptiert, und Saralisa Volm hat diesen in stimmige, düstere Bilder getaucht, die dem Film gleich von Beginn an etwas zutiefst Unheimliches und Beunruhigendes verleihen. Vorzügliche Darstellerleistungen und eine mitreißende Geschichte, die nach und nach ihre ganze Bedeutung entfaltet, machen „Schweigend steht der Wald“ zu einem seltenen und gelungenen Beispiel deutscher Kino-Genrekost.
„Schweinchen, Specki, Oin Oink Oink!“, schallt es der übergewichtigen Sara permanent von den Klassenkameradinnen entgegen, ob Face to Face oder über soziale Medien. Und daheim herrscht die kaltherzige Mutter. Dann lässt ein Unbekannter Saras Peiniger verschwinden. Tränen versiegen, Blut sickert. Zum einen serviert Carlota Pereda mit „Piggy“ einen soliden Horror-Revenge-Streifen, der Logik und Nebenfigurenzeichnung vernachlässigt und den Blutzoll erst zum Ende etwas hochfährt. Zugleich aber kokettiert Pereda gewitzt mit dem Bumerang-Effekt einer Erniedrigung. Und sie vermittelt die Folgen permanenter Demütigung ihrer Protagonistin in jeder Minute dermaßen unmittelbar, dass dieser Schmerz mehr zusetzt als jeder Hieb und Stich. Und das wertet den Streifen durchaus auf.
Man ist nie zu jung oder zu alt, um für eine gute Sache zu brennen. Das zeigen die fünf Menschen, die in der Doku „Rise Up“ von Marco Heinig, Steffen Mauerer, Luise Burchard und Luca Vogel erzählen, warum sie sich für den Kampf um eine bessere Welt entschieden haben. Da ist die Studentin in Chile, die für mehr Demokratie auf die Straßen geht, der Mittvierziger in den USA, der sich um sein direktes Wohnumfeld im benachteiligten Schwarzen-Viertel kümmert, die junge Frankfurterin, die sich für kurdische Frauen einsetzt, die Anti-Apartheid-Kämpferin, die für ein Ende jenes menschenverachtenden Regimes ihr Leben riskierte, die DDR-Aktivistin, die für ihre Überzeugung ins Gefängnis ging. Sie alle waren an gesellschaftlichen Umbrüchen beteiligt. Sie machen Hoffnung, dass auch heute in Zeiten von Klimawandel, Krieg und Ressourcenknappheit Menschen gegen kapitalistische Gier kämpfen.
Wer Dampfschiffe durch den Dschungel ziehen lässt und es freiwillig mit Klaus Kinski aufnimmt, muss das Unmögliche lieben. Diesen Eindruck stützt auch Thomas von Steinaeckers Porträt „Werner Herzog – Radical Dreamer“, das die ungewöhnliche Karriere des unbequemen Autorenfilmers chronologisch nachzeichnet. Filmausschnitte aus Herzogs Werk werden um Archivaufnahmen von legendären Dreharbeiten, sowie Interviews mit Weggefährten ergänzt. Auch Herzog selbst kommt zu Wort und Steinaecker ihm sehr nah. Gelegentlich erliegt der Regisseur dabei seiner eigenen Verehrung für Herzog, während der wirkt, als würde er lieber seine Filme sprechen lassen. Die aus der prallen Materialfülle schöpfende Montage macht dennoch Lust, sich in Herzogs Filmwerk zu stürzen und vielleicht die kritischen Fragen zu stellen, die „Radical Dreamer“ vermeidet.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Fatih Akins Biopic „Rheingold“, Steffen Krones' Doku „The North Drift - Plastik in Strömen“, Pascal Schröders Genrethriller „The Social Experiment“, Nicholas Stollers Gay-Romanze „Bros“ und Halina Reijns Mörderspiel-Spiel „Bodies Bodies Bodies“.
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